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Profilierung in Schwarz-Gelb. Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Partnern Horst Seehofer (CSU, rechts) und Guido Westerwelle (FDP) am Rande der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst in Berlin. Foto: dpa

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Politik: Merkel zur Qual

Die Kanzlerin muss sich nach der NRW-Wahl auf neue Machtverhältnisse einstellen – wird sie das können?

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Große Steuersenkung: ade, Kopfpauschale: weg, längere Laufzeiten für Atommeiler: futsch. Selbst die Wehrdienstverkürzung steht auf der Kippe. Kaum eines der großen Projekte, die Union und FDP vor sieben Monaten in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, wird diesen Sonntag – allen Wahlprognosen zufolge – überleben. Denn in Nordrhein-Westfalen stimmen mehr als 13 Millionen Wähler über die Zukunft von Schwarz-Gelb ab. Zunächst einmal nur über das Duo von Jürgen Rüttgers (CDU) und Andreas Pinkwart (FDP) in Düsseldorf. Aber im gleichen Moment auch über das gleichfarbige Bündnis in Berlin. Ein Ende von Schwarz-Gelb in NRW verändert automatisch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, der zweiten Kammer, die neben dem Bundestag für die bedeutenden Gesetzesverfahren benötigt wird. Ein Abgang von Rüttgers und Pinkwart im größten Bundesland wird so zur Zäsur für die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin. Oder vielmehr zum Ende all ihrer Hoffnungen darauf, nach dem 9. Mai in Berlin mit der Umsetzung des Koalitionsvertrages beginnen zu können.

Dass es Rüttgers und Pinkwart doch noch schaffen, ist nicht unmöglich, aber auch nicht sehr wahrscheinlich. Seit dem dauerverstolperten Start der Bundesregierung weht beiden Regierungspartnern ein scharfer Wind aus Berlin entgegen, dem weder Rüttgers noch Pinkwart mit landespolitischen Pluspunkten etwas Substanzielles entgegenzusetzen hatten. Seit Wochen schwinden in den Wahlprognosen die Hoffnungen auf eine Bestätigung von CDU und FDP. Und in Berlin raunt es beinahe ebenso lange aus beiden Koalitionslagern: „Das Ding ist wohl verloren.“

Derzeit haben weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb in den Umfragen eine Mehrheit. Die Linkspartei liegt stabil bei mindestens fünf, die FDP scheint ihr mit 6,2 Prozent mageres Wahlergebnis von 2005 halten zu können. Hoffnungen, als große Wahlsiegerin aus dem Rennen hervorgehen zu können, darf sich allenfalls die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft machen. Weil der erwartbare Einzug der Linken in den Landtag Zweierbündnisse mit kleinen Partnern rechnerisch wenig wahrscheinlich macht, wird Kraft wohl auf jeden Fall an der Regierungsbildung beteiligt sein – wohl in einer großen Koalition, aber vielleicht auch in einem rot-rot-grünen Bündnis.

Der große Verlierer wird wohl Guido Westerwelle sein. Nach beinahe 15 Prozent im September 2009 wird der FDP-Chef den Einbruch in NRW nur schwer schönreden können. Was auch für seine eigene Verantwortung gilt: Westerwelle hat im Frühjahr angekündigt, selbst aktiv in das Geschehen eingreifen zu wollen. Und er wird die Konsequenzen zu tragen haben. Abhängig davon, wie das NRW-Ergebnis ausfällt, droht ihm mehr oder weniger rasch eine Führungsdebatte, die ihn vor die Entscheidung stellt: entweder Regierungs- oder Parteiamt.

Die Kanzlerin wird sich also auf neue Machtverhältnisse einstellen müssen. Merkels Spielraum wird begrenzt, ihre einst propagierte „Politik der kleinen Schritte“ nun zur erzwungenen Realität. Auf der einen Seite die eigenen Ministerpräsidenten, die Merkel bereits in der Woche vor der Wahl bedeutet haben, dass sie Steuersenkungen unter keinen Umständen mitmachen und wenn ja, dann dafür bezahlt werden wollen. Auf der anderen Seite die SPD, die zwar angekündigt hat, „nichts blockieren zu wollen“, die allerdings einen Machtzuwachs in NRW auf jeden Fall zur Mitbestimmung der Politik in Berlin nutzen wird. Und natürlich eine FDP, die um eigene Profilierung ringen und daher um jeden Steuersenkungs-Cent kämpfen muss. Merkels unsicherste Bank also, mal abgesehen von der CSU. Die Kanzlerin wird damit von Montag an zur Dompteuse in einer Arena werden, in der die eigenen Länderfürsten, ihr Koalitionspartner FDP und die SPD erbittert um die Durchsetzung ihrer Interessen kämpfen werden. Das Publikum wird sich auf drei Jahre voller Geschiebe, Geschachere und Kompensation in undurchsichtigen Verfahren im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einstellen müssen.

Schon im Mai wird sich erweisen, ob Merkel in der Lage ist, die Arena zu beherrschen, oder selbst zwischen den Einzelinteressen hin- und hergetrieben wird. Dann nämlich, wenn es um den Bundeshaushalt 2011 bis 2013, das Sparpaket, die Kommunalfinanzen, Zusatzinvestitionen in Bildung und Forschung und natürlich um Steuersenkungen gehen wird.

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