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Merkels Auslands-Auftakt: Bonjour Madame la Chancelière

Angela Merkel hat auf ihrer ersten Auslandsreise als Bundeskanzlerin Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac in Paris besucht. Merkel will den deutsch-französischen Beziehungen weiterhin ein hohes Gewicht geben.

Paris - Jacques Chirac wartet schon. Als die Wagenkolonne der neuen Bundeskanzlerin auf den Hof des Elysée-Palastes vorfährt, geht er zu Ehren des Gastes die Treppen herunter. Angela Merkel verlässt ihren Wagen. Chirac gibt ihr einen Handkuss. Ohne Dolmetscher parlieren die beiden für die Fotografen. Ganz offensichtlich versucht der Franzose Merkel beim Auftakt ihrer ersten Auslandsreise als Kanzlerin am Mittwoch in Paris einen möglichst angenehmen Empfang zu bereiten. Erstaunlich routiniert spielt Merkel das Spiel mit. Oben auf dem Treppenabsatz vor dem fast 300 Jahre alten Palast stellt sie sich selbstbewusst in Positur.

Umarmungsszenen wie bei den vielen Treffen Chiracs mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder gab es nicht. Nur ganz leicht legt der französische Präsident seinen Arm um die Frau aus Berlin. Dann verschwinden beide im Elysée zu ihrem ersten Gespräch.

Bei der anschließenden Pressekonferenz im schmucken Salon Napoleon III. zeigen sich Merkel und Chirac zwar konziliant. Dennoch sind aus den Worten von beiden deutliche Akzentunterschiede herauszuhören. Wie zu Schröders Zeiten beschwört Chirac die «deutsch-französische Achse». Ohne diese, so der Franzose mit bedeutungsschwerer Mimik, könne Europa nicht gedeihen. Sie müsse «wirklich solide» sein.

Merkel dagegen nimmt bei der überfüllten Pressekonferenz vor französischen und deutschen Journalisten den Begriff «Achse» nicht in den Mund. Sie spricht nur von der «tiefen Überzeugung», dass es ein «freundschaftliches und intensives Verhältnis» zwischen beiden Ländern geben müsse. Und dies sei auch für Europa wichtig. Wie schon im Wahlkampf betont sie die Verpflichtung gegenüber den neuen, meist kleineren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Die Konzentration der rot-grünen Außenpolitik auf die Großen in Europa hatte sie stets kritisiert.

Das Interesse an der Madame la Chancelière ist groß. Von einer französischen Journalistin wird Merkel gefragt, ob die Tatsache, dass sie eine Frau sei und noch dazu aus Ostdeutschland stamme, zu einer veränderten Politik führen werde. Dazu sagt Merkel, die Tatsache, dass sie eine Frau sei, bedeute nicht, dass «ich nun alles anders machen muss, nur um es anders zu machen». Leicht ironisch fügt sie hinzu: Es könne natürlich auch sein, dass künftig «weiblicher Geist über den deutsch-französischen Beziehungen wehen wird».

Dass der außenpolitische Start der neuen Kanzlerin relativ mühelos gelingt, liegt wohl auch daran, dass sie als CDU-Vorsitzende außenpolitisch reichlich geübt hat. Learning by doing war ihre Devise, um das außenpolitische Handwerk zu lernen. Merkel suchte den Kontakt mit den hohen Staatsgästen, die in vergangenen Jahren in Berlin waren. Auf EU-Ebene nahm sie regelmäßig an den Gipfeln der Europäischen Volkspartei teil, sog das Neue geradezu auf.

Als Oppositionsführerin setzte sie die Außenpolitik aber auch als Mittel zur Profilierung ein. In der Irak-Krise des Winters 2002/2003 grenzte sich Merkel kurz vor einer USA-Reise vom amerikakritischen Kurs von Schröder und Außenminister Joschka Fischer ab. Sie ließ in der «Washington Post» einen Artikel mit der Überschrift «Schröder spricht nicht für alle Deutschen» veröffentlichen. Die Aufregung war in Deutschland groß. Auch in der Frage des EU-Beitritts der Türkei grenzte sie sich von Schröder ab und warb in der EU für ihre Idee einer privilegierten Partnerschaft.

Eine besondere Note setzte Merkel mit der unmittelbar nach Paris geplanten Brüssel-Visite mit Treffen bei Nato und EU-Kommission. Das sollte auch zeigen, dass sich die Gewichte in der Außenpolitik seit Jahren verschoben haben: Die einzelnen Staaten sind wichtig, genauso wichtig sind aber die internationalen Organisationen. Es scheint, dass die neue Kanzlerin der Außenpolitik vielleicht mehr Beachtung schenken wird, als viele erwartet hatten. Zumindest für neue Zwischentöne könnte Merkel auch in den nächsten Wochen sorgen. (Von Ulrich Scharlack, dpa)

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