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Politik: Merz will nicht mehr

Der frühere Chef der CDU/CSU-Fraktion sagt der Politik Lebewohl – auch wegen der großen Koalition

Berlin - Nun nimmt er endgültig den Hut und sagt der Politik adieu: Am Montagabend kündigte Friedrich Merz in einer knappen Pressemitteilung an, für den nächsten Bundestag nicht mehr zu kandidieren und sich künftig ganz seinem Beruf als Anwalt widmen zu wollen. Eine echte Überraschung war es nicht mehr. Der einstige CDU/CSU-Fraktionschef hat sich seit geraumer Zeit schon aus dem politischen Betrieb in Berlin ausgeklinkt, nach seinem Rücktritt von allen Ämtern 2004 nur noch kleinere Aufgaben übernommen und seine letzte davon – die Arbeit im Rechtsausschuss – auch nur noch als Stellvertreter ausgeübt. Lust und Laune waren offenkundig aufgebraucht.

Nach „gründlichem Nachdenken“, heißt es in der Mitteilung des 51-jährigen Juristen und mehrfachen Aufsichtsrats, habe er sich entschlossen, 2009 nicht mehr anzutreten – nach zwanzig Jahren als Abgeordneter, zunächst von 1989 bis 1994 im Europäischen Parlament, dann seit 1994 im Bundestag. Dort hatte Merz eine steile Karriere hingelegt. Schon nach zwei Jahren gehörte er zu den führenden Finanzpolitikern der Fraktion, 1998 wurde er stellvertretender Fraktionschef. Als im Februar 2000 Wolfgang Schäuble wegen der Parteispendenaffäre als CDU-Vorsitzender und Fraktionschef zurücktreten musste, folgte ihm Merz im Fraktionsamt. Als Parteichefin setzte sich freilich Generalsekretärin Angela Merkel durch. Das Duo bestimmte zwei Jahre lang die CDU-Politik, die Kanzlerkandidatur war lange offen, auch Merz war zur Übernahme bereit. Am Ende trug Merkel die Kandidatur dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber an, dafür soll sie sich eine Zusage für das Amt der Fraktionschefin geholt haben. Nach der Niederlage Stoibers im September 2002 kam Merkel darauf zurück, Merz wehrte sich zwar, aber er musste weichen und war fortan nur noch Fraktionsvize. Das alles nagte seither an ihm.

Auch als Programmatiker der Partei hatte er Pech. Sein Konzept für eine radikale Vereinfachung der Einkommensteuer – berühmt geworden durch den Anspruch, jeder könne seine Steuerhöhe bald auf einem Bierdeckel ausrechnen – wurde zwar von der CDU übernommen, aber von der CSU zerpflückt. Deswegen zog sich Merz Ende 2004 von allen Partei- und Fraktionsämtern zurück. In seiner Heimat Nordrhein-Westfalen fand sich für den ehemaligen Hoffnungsträger nach dem Wahlsieg von Jürgen Rüttgers 2005 auch keine Aufgabe. So nahm der Einfluss ab und der Missmut zu.

Das alles klingt in Merzens Rückzugserklärung deutlich nach. Er habe seine Entscheidung „auch im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Politik der großen Koalition in Berlin und mit dem politischen Kurs der nordrhein-westfälischen Landespartei getroffen, der mit meinen Grundüberzeugungen, für die ich viele Jahre in der CDU gearbeitet habe, nicht vereinbar ist“. Für den Finanzfachmann Merz, der sich immer schon mehr auf dem Wirtschaftsflügel heimisch fühlte, hat die CDU-Politik derzeit zu viel Schlagseite zum Sozialen hin, als das er sich mit ihr wohlfühlen könnte. Die Abstimmung über die Gesundheitsreform schwänzte er am Freitag – aus Protest gegen die Regelungen für die privaten Versicherer.

Seinen Humor scheint er immerhin nicht ganz verloren zu haben. Jedenfalls hat er seiner Erklärung noch eine Pointe gegeben. Die frühe Ankündigung des Rückzugs, so die Aussage, gebe den Parteifreunden im heimischen Hochsauerlandkreis nun ein Jahr Zeit, einen Nachfolgekandidaten zu finden. „Aber auch für den Fall“, so heißt es weiter, „dass es erneut zu vorgezogenen Bundestagswahlen kommt, kann die Auswahl in einem geordneten Verfahren vollzogen werden.“

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