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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© dpa

Michael Müller wird SPD-Chef in Berlin: Ja-Wort mit der Faust in der Tasche

Michael Müller wird am Sonnabend zum Spitzenkandidaten der SPD gewählt werden. Aber er steht für eine politische Mitte, die keine Orientierung mehr bietet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Er ist der Mann, der unangefochten vorne steht. Die Berliner SPD wird den Regierenden Bürgermeister Michael Müller am Sonnabend einstimmig als Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September nominieren. Und sie wird ihn, nach vierjähriger Pause, wieder zum Parteichef wählen. Mit einem guten Ergebnis, alles andere käme überraschend. Zwar sind viele Genossen nicht damit einverstanden, wie Müller jetzt im Handstreich die innerparteiliche Macht an sich zieht. Aber sie werden ihm, mit der Faust in der Tasche, ihr Ja-Wort geben.

Denn es gibt vorerst keine Alternative zu Müller, der stolz ist auf seine Herkunft aus dem Tempelhofer Kiez und der seine Kraft aus diesem kuscheligen Heimatgefühl zieht. Mit 51 Jahren ist er noch relativ jung, aber ein Sozialdemokrat der alten Schule, der Kommunalpolitik von der Pike auf gelernt hat. Seit über drei Jahrzehnten eingebettet in ein quasi familiäres Netzwerk, das ihn schützt – und das er nutzt. Im Bezirk und Landesparlament, dann im Berliner Senat hat Müller gelernt, sich durchzusetzen. Auch gegen Zweifel an sich selbst.

Er hat auch gemerkt, dass die Luft in den oberen Etagen dünn wird. 2012 wählten ihn jene Genossen, die in der SPD nicht nur einen Wahlverein und verlängerten Arm der Regierung sehen, als Parteichef ab. Zwei Jahre später, nach dem verlorenen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld, musste der Stadtentwicklungssenator von Parteifreunden mit Engelszungen überredet werden, nicht zurückzutreten. Hoch sensibel, schnell beleidigt und misstrauisch ist Müller bis heute geblieben. Aber er ist machtbewusster geworden und will das Rote Rathaus gegen alle Anfechtungen von innen und außen über den Wahltag hinaus verteidigen.

Bescheidene Bilanz

Voraussichtlich wird ihm das gelingen. Wobei man sehen muss, dass Müllers relative Stärke vor allem aus der Schwäche der anderen erwächst. CDU, Grüne und Linke haben derzeit keine Leute, die dem amtierenden Regierungschef gefährlich werden könnten. Das gibt Müller eine zweite Chance, in der neuen Wahlperiode mehr zu bieten als ein schlechtes Krisenmanagement und eine vermurkste öffentliche Verwaltung. Die erste Chance hat er vertan – der Bonus, den der Nachfolger des nicht mehr gewollten Klaus Wowereit von den Berlinern erhielt, ist aufgebraucht. In den Umfragen steht die Berliner SPD wieder da, wo sie zuletzt im Sommer 2014 stand, bevor der müde Wowereit seinen Rücktritt erklärte.

Das liegt an der bescheidenen Bilanz des Müller-Senats und dem nervenden Dauerstreit in der Koalition, aber auch an der fehlenden Botschaft, wie es mit Berlin weitergehen soll. Die althergebrachten Rezepte, für die der sozialdemokratische Traditionalist Müller steht, sind wenig geeignet, Berlin eine Zukunft zu geben. Das gilt vor allem für den Wohnungsbau und die Verwaltung, für Bildung, Integration und städtische Infrastruktur.

Die Regierungspartei SPD, die Müller repräsentiert, gibt darauf kleinteilige und technokratische Antworten, die von den jungen, bürgerlich-urbanen Berlinern, aber auch von den sozialen Verlierern als wenig attraktiv empfunden werden. Der führende Mann der Berliner SPD steht für eine politische Mitte, die keine Orientierung mehr bietet und nicht nur in Berlin allmählich zerbröselt. Auch die SPD wird sich neu verorten müssen, mit mutigen, unkonventionellen Strategien. Das ist Müllers Sache aber nicht.

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