zum Hauptinhalt

Politik: Mierscheid kneift

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Es wäre immerhin möglich gewesen, oder doch nicht völlig ausgeschlossen, dass erstmals Jakob Mierscheid in die Linse einer Kamera geblickt hätte. Der 1.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Es wäre immerhin möglich gewesen, oder doch nicht völlig ausgeschlossen, dass erstmals Jakob Mierscheid in die Linse einer Kamera geblickt hätte. Der 1. April, Tag des dialektischen Regelverstoßes, von naiven Menschen als „Scherz“ verharmlost – doch, das wäre ein Tag gewesen, an dem man den mutmaßlichen Abgeordneten Mierscheid auf der unteren Fußgängerbrücke über die Spree zwischen dem Marie-Elisabeth-Lüders- und dem Paul-Löbe-Haus leibhaftig anzutreffen nicht überrascht gewesen wäre.

Angekündigt, wenngleich in der Möglichkeitsform, war er. Kameraleute sind auch etliche da gewesen, um das so genannte Phantom des Bundestages nach vier Jahrzehnten endlich bildfest zu machen. Die zogen hinterher enttäuscht ab mit der Begründung, dass Mierscheid wieder nicht gekommen sei, was aber nicht richtig beobachtet war im dialektisch-aprilischen Sinne. Denn gekommen war Dietrich Sperling, einst Abgeordneter der SPD-Fraktion. Mitgebracht hat er ein Schild, das er am Brückengeländer befestigte, sowie einen Gruß vom MdB Mierscheid nebst einigen Gedanken desselben über das Phantom. Mierscheid, muss man wissen, reagiert traditionell ein bisschen empfindlich auf diese Gattungsbezeichnung. Sperling hat nunmehr auch enthüllt, warum: Der Mann, den sie ein Phantom nennen, hat im Gegenteil überreichlich Belege dafür gesammelt, dass die so genannten wirklichen Abgeordneten viel phantomischer sind, ja die Politik als Ganzes von „Phantomitis“ geplagt sei. Hat nicht Norbert Blüm versichert, die Rente sei sicher? Ein Phantom! Hat nicht George Bush im Irak einen Hort von Massenvernichtungswaffen ausgemacht? Ein Phantom!

Auf dem Schild aber, das Sperling montiert hat, steht in sorgsamer Frakturschrift zu lesen, dass es sich nunmehr um den „Jakob-Mierscheid-Steg“ handelt. Das Schild ist mit schwachem Draht befestigt, was auf den ersten Blick dumm wirkt, weil es nicht lange da hängen wird. Dabei steckt in diesem Draht die Lektion des Tages. Die Brücke wird ja auch ohne Schild weiter „Jakob-Mierscheid-Steg“ heißen. Was beweisen wird: Nicht alles, was man nicht sieht, ist deswegen ein Phantom.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false