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Theorie und Praxis. Deutschland ist nach den USA das beliebteste Land bei Einwanderern. Fast eine halbe Million Menschen kamen alleine im vergangenen Jahr. Doch oft scheitern besonders junge Migranten an Alltagsrassismus. Ein „falscher“ Name, die „falsche“ Hautfarbe reichen oft aus, damit eine Bewerbung abgelehnt wird.

© Hendrik Schmidt/dpa

Migranten und Ausbildung: "Die Gastarbeitergeneration schlägt weiter durch"

Der Integrationsgipfel hat sich erstmals ausschließlich der Ausbildung junger Migranten gewidmet. Der Volkswirt und Migrationsforscher Herbert Brücker erklärt, wie ihnen zu helfen wäre.

Herr Professor Brücker, verbessert sich die Ausbildungssituation junger Migranten?

Das Gefälle ist nach wie vor groß: 2013 waren 35 Prozent der jungen Migranten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, bei den 25 bis35-Jährigen immer noch 29 Prozent im Vergleich zu jeweils 9 Prozent bei den jungen Leuten ohne Migrationshintergrund. Im Jahr zuvor lag der Wert aber noch bei 38 Prozent. Eine positive Entwicklung ist also zu sehen.

Ist das der Erfolg höherer politischer Aufmerksamkeit?

Es ist gut, dass die Politik das Problem erkannt hat, aber die Verbesserung ist vor allem auf die neuen Zuwanderer zurückzuführen. Wer heute kommt, ist deutlich besser qualifiziert, hat häufiger einen Hochschulabschluss als die hiesige  Bevölkerung – wenn auch oft ebenfalls keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Herbert Brücker, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bamberg und Migrationsexperte des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Herbert Brücker, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bamberg und Migrationsexperte des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

© iab

Und die hier geborenen Migrantenkinder?

Auch da gibt es eine Aufwärtsentwicklung, die Abiturientenzahlen steigen und auch die Zahl abgeschlossener Berufsabschlüsse. Aber das vollzieht sich sehr langsam. Die Struktur der vor Jahrzehnten eingewanderten Gastarbeiterbevölkerung mit vielen Geringqualifzierten schlägt auch auf die nachfolgenden Generationen noch durch. Da gibt es weiter gewaltige Diskrepanzen zu Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund und dies auf jeder Ebene: Ein Unterschied von 10 Prozentpunkten beim Kindergartenbesuch, hohe Migrantenanteile auf Förder- und Hauptschulen, während der Anteil der Gymnasiasten rund halb so hoch ist wie bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Auch wer eine Ausbildung macht, wird seltener übernommen oder findet eine angemessene Beschäftigung. Das gilt selbst bei gleicher Qualifikation.

Was lässt sich tun?

Der Schlüssel ist und bleibt das Bildungssystem, das immer noch selektiv ist und Ungleichheiten verfestigt. Da passiert schon einiges, es muss aber noch mehr getan werden, angefangen bei Kitas und Kindergärten, die vor allem Sprachkompetenzen, schreib- und Lesefähigkeiten vermitteln müssen. Und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und in der Schule muss abgebaut werden. Anonyme Bewerbungsverfahren sind da nur ein Schritt. Wir müssen aber auch die Neuzuwanderer in den Blick nehmen.

Obwohl deren Qualifikation eher kein Grund zur Sorge ist?

Sie haben trotzdem Probleme. Ihre Abschlüsse müssen rascher anerkannt werden und sie brauchen gezielte Förderung, um sich in Deutschland zurechtzufinden. Viele brauchen auch Hilfen, um sich aufbauend auf Abschlüssen, die sie mitbringen, nachzuqualifizieren. Und sie brauchen eine bessere Arbeitsvermittlung. All das gibt es leider bisher nur in Ansätzen. Die neuen Zuwanderer sind eine sehr große Gruppe, die man nicht unterschätzen darf: Zwei Drittel der Migranten in Deutschland sind im Ausland geboren. Einwanderungspolitik und Integrationspolitik gehören zusammen.

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