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Migranten: Zu wenig Integration heizt Krise an

Deutschland verschleudert nach wie vor das Potenzial Hochqualifizierter - und könnte damit geschwächt aus der globalen Krise hervorgehen.

In seiner ersten Stellungnahme kommt der neu gegründete „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ (SVR) zu dem Ergebnis, dass Deutschland weder aktiv um qualifizierte Ausländer werbe noch genügend dafür tue, gut ausgebildete Deutsche zu halten. Zudem würden hier ausgebildete Migranten abgeschreckt.

Derzeit sei die Ab- und Zuwanderung von Arbeitskräften in Deutschland ein Verlustgeschäft, sagte der Vorsitzende des Rats, der Migrationshistoriker Klaus J. Bade. In den vergangenen fünf Jahren verlor das Land netto 180.000 Staatsangehörige an das Ausland. „Selbst wenn nur ein Drittel auf Dauer im Ausland bleibt, bedeutet das einen fiskalischen Verlust von 1,1 Milliarden Euro, Ausbildungskosten nicht eingerechnet.“ Die Studie stützt sich auf Daten des Statistischen Bundesamts, von Wirtschaftsinstituten und auf eigene Erhebungen.

In den vergangenen zehn Jahren sei zwar migrationspolitisch „mehr geschehen als in den 40 Jahren zuvor“, sagte Bade. Es müsse sich aber noch mehr tun, „sonst werden wir am Ausgang der Krise von alten Problemen eingeholt, die sich verschärft haben“. Er verwies vor allem auf die Situation gut ausgebildeter Migranten in der Arbeitswelt. Wer mit einer guten Ausbildung ins Land komme, bekomme seine ausländischen Zeugnisse oft nicht anerkannt. So würden „Feststoffphysiker mit Leitungsfunktionen in der Sowjetunion hier Taxifahrer“ (siehe Text rechts). Zugleich denke ein Drittel der deutsch-türkischen Elite an Auswanderung, weil sie in Deutschland mit „derben Benachteiligungen“ in ihrer Karriere rechneten – dies hatte kürzlich eine Studie für die Vereinigung türkischer Studierender in Deutschland herausgefunden.

Um den Trend zur Nettoabwanderung zu stoppen oder umzukehren, fordert der SVR ein transparentes Regelsystem für Einwanderer, ein bundesweit gültiges System zur Anerkennung ausländischer Fachkräfte und Erleichterungen für hier ausgebildete Ausländer, damit sie hierbleiben oder auch zurückkommen können. Außerdem müsse es einen „strukturellen Umbruch des zutiefst ungerechten und selektiven Schulsystems“ geben, das Benachteiligung vererbe.

Der SVR wurde im Herbst 2008 auf Initiative der Essener Mercator-Stiftung von acht Stiftungen, darunter Bertelsmann und Volkswagen, gegründet. Ihm gehören neun Wissenschaftler an. Der von Rot-Grün berufene Zuwanderungsrat war 2004 nach politischen Kontroversen um seine Empfehlungen aufgelöst worden.

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