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Militärexperten: Großbritannien soll Nuklearprogramm überdenken

Großbritannien will Weltmacht sein, hat aber kein Geld, seine Waffensysteme zu modernisieren. Experten raten zum Umdenken

Die Finanzkrise, das Haushaltsloch und geopolitische Veränderungen gefährden Großbritanniens Einfluss in der Welt und machen eine fundamentale Umstrukturierung seiner Verteidigungsstrategien erforderlich. Das Land müsse seine Verteidigungsausgaben um 24 Milliarden Pfund (26,5 Milliarden Euro) senken und auch die Zukunft seiner Nuklearverteidigung überdenken, folgert eine Studie, die am Dienstag Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der „illusionären“ britischen Verteidigungspolitik formuliert.

Tenor des Expertenberichts, an dem unter anderem der frühere Nato-Generalsekretär Lord George Robertson, der frühere Bosnienbeauftragte Lord Paddy Ashdown und der ehemalige Chef der Britischen Streitkräfte Lord Charles Guthrie gearbeitet haben: Statt als unabhängiger, globaler militärischer Akteur aufzutreten, muss Großbritannien seinen Ehrgeiz drosseln, eine flexiblere Sicherheitspolitik entwickeln und dabei weniger auf die traditionelle Partnerschaft mit den USA und mehr auf neue Formen der Kooperation mit Europa setzen.

Der von dem Londoner Think Tank „Institute for Public Policy Research (IPPR)“ in Auftrag gegebene Bericht warnt nicht nur die Briten. Für ganz Europa sei ein „langer und allmählicher“ Niedergang unabwendbar, wenn nicht mehr finanzielle und politische Energie in Verteidigungskapazitäten investiert würden.

„Wir müssen in der Welt nach 9/11 und nach der Finanzkrise smarter werden und unsere Ressourcen rücksichtsloser auf die wirklichen Sicherheitsrisiken ausrichten. In vielen Gebieten ist europäische Kooperation der einzige Weg nach vorn“, sagte Lord Ashdown.

Die Zukunft des U-Boot gestützten Atomwaffensystems Trident wird in Großbritannien nicht nur wegen der Finanzkrise heftig diskutiert. Es muss nach 2020 wegen Altersschwäche erneuert werden. Dafür würden über 30 Jahre Kosten von 65 bis 75 Milliarden Pfund (72 bis 83 Milliarden Euro) anfallen. Doch nicht nur linke Labourvertreter, Bischöfe und die schottischen Nationalisten fordern einen Verzicht auf die Atomwaffe. Auch der Chef der Liberaldemokraten Nick Clegg sagte kürzlich: „Wir müssen uns als Land fragen,was wir uns noch leisten können“, sagte Clegg. Er will das System durch eine billigere Land- oder Luftgestützte Atomwaffe ersetzen. Verteidigungsstaatssekretär Bill Rammell betonte in der BBC, Großbritannien könne und werde sich Trident leisten, sprach aber auch von weiteren „Überprüfungen.

Doch laut Rammells Vorgänger Des Browne „übersteigt das Auftragsbuch des Verteidigungsministeriums seine Zahlungsfähigkeit“. Unter anderem laufen die Kosten für zwei gigantische Flugzeugträger davon, die mit amerikanischen Kampfflugzeugen ausgerüstet werden sollen. Der Bericht fordert, die Verteidigungsanstrengungen stärker vom Konzept konventioneller Kriege hin zu Sicherheitsrisiken wie Energie- und Wirtschaftskonflikte, Cyber-Attacken und Terrorismus zu verlegen. So müssten Spezialeinheiten ausgebaut werden, um für Terrorattacken gewappnet zu sein. Der Bericht warnt auch vor einer Niederlage in Afghanistan, wenn die militärischen Anstrengungen nicht besser mit dem zivilen Aufbau gekoppelt würden.

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