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Milliarden-Defizit: FDP fordert von Union Reform des Gesundheitswesens

Die Milliarden-Defizite der gesetzlichen Krankenkassen haben Schwarz-Gelb aufgeschreckt. Die FDP dringt nun umso stärker auf die Abschaffung des Gesundheitsfonds.

Union und FDP beginnen ihre Beratungen über die künftige Gesundheitspolitik – unter denkbar schlechten finanziellen Voraussetzungen. Wie der Schätzerkreis für die gesetzliche Krankenversicherung am Dienstag mitteilte, droht den gesetzlichen Krankenkassen ein Defizit von knapp 7,5 Milliarden Euro. Damit müssen sich Millionen gesetzlich Versicherte auf Zusatzbeiträge einstellen.

Diese Prognose dürfte die schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen zum ohnehin heiklen Thema Gesundheitspolitik erschweren. Die FDP, die den Gesundheitsfonds ganz abschaffen will, sieht sich durch das Defizit in ihrer Kritik am Fonds bestätigt. So forderte der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr eine "vorbehaltlose" Diskussion. "Wer bei dieser Finanzlage stur an dem Fonds festhält, treibt die Krankenkassen in die Insolvenz", warnte der Liberale. Er sei daher gespannt, was die Union in den Verhandlungen nun als ihre Lösung präsentiere.

Der Fehlbetrag der Kassen ist nach Ansicht von Unions-Experten allerdings keine Folge des Fonds. "Wer dies dem Fonds anlastet, greift zu kurz und verkennt schlichtweg die Realität", sagte die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU), die wie Bahr der Arbeitsgruppe Gesundheit/Pflege angehört. Grund für die steigenden Kosten sei eben nicht das System zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen an sich, sondern gewollte Verbesserungen für Ärztehonorare sowie Mehrkosten bei der Krankenhausbehandlung. "In diesem Bereich hatte es jahrelang keine Erhöhung gegeben. Deswegen waren sich alle einig, dass wir mehr Ärzte im Krankenhaus und mehr Pflegekräfte für eine bessere Patientenversorgung brauchen."

Um die sich abzeichnende Finanzlücke bei den Kassen zu schließen, könnte die künftige Bundesregierung mehr Steuereinnahmen als geplant in den Gesundheitsfonds fließen lassen oder rasch ein neues Sparpaket für das Gesundheitswesen beschließen. Möglich wäre auch eine Anhebung des Einheitsbeitragssatzes von derzeit 14,9 Prozent.

Sowohl bei CDU/CSU als auch bei der FDP gibt es deutliche Vorbehalte gegen eine Erhöhung der Sozialabgaben. Auch weitere Steuermittel dürfte es kaum geben, weil sich die FDP schon am bislang geplanten Zuschuss von 11,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr stört.

Fest steht für die Liberalen indes: Der Gesundheitsfonds gehört abgeschafft. "Der Fonds macht vieles teurer, aber nichts besser", kritisierte der FDP-Vize Andreas Pinkwart. Er sei ein "fauler Kompromiss" der Großen Koalition gewesen. Künftig müssten Wahlfreiheit, hohe Qualität und Finanzierbarkeit in eine neue Balance gebracht werden.

Von nun an wird sich der Ton bei den Koalitionsverhandlungen also verschärfen – schließlich geht es ums Geld: Mit Steuern und Haushalt beginnt die wohl wichtigste Arbeitsgruppe des künftigen schwarz-gelben Regierungsbündnisses mit ihren Beratungen. Unter Führung von Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und dem FDP-Finanzexperten Hermann Otto Solms wird ausgelotet, welche Entlastungen für Bürger und Unternehmen trotz der Rekordschulden im Bund machbar sind.

Zwar gehen Beobachter davon aus, dass sich Union und FDP auf weitere Steuersenkungen verständigen. Die Liberalen pochen allerdings auf einen radikalen Umbau des Steuersystems. Steffen Kampeter, für die CDU ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzen, hält die Steuersenkungsvorschläge der FDP indes für "irreal". Eine Entlastung von 35 Milliarden Euro sei "nicht machbar", die Gegenfinanzierungsvorschläge der Liberalen "rechtswidrig oder unsozial". Kampeter betonte: "Einen solchen finanzpolitischen Blindflug wird es mit der CDU nicht geben." Seine Partei strebe hingegen eine steuerliche Entlastung der Bürger um 15 Milliarden Euro an. Dabei wolle man sich auf die Entlastung von "kleineren und mittleren Einkommen konzentrieren".

Zu ersten Gesprächen kommt auch die Arbeitsgruppe zur Arbeits- und Sozialpolitik zusammen. Dicht beieinander sind beide Seiten mit ihren Vorstellungen, das Schonvermögen zur Altersvorsorge für Langzeitarbeitslose zu erhöhen. Schwieriger dürfte es bei der von der FDP geforderten Lockerung des Kündigungsschutzes werden. Über einen flexibleren Renteneinstieg soll ebenfalls gesprochen werden.

In der ebenfalls startenden Arbeitsgruppe für Umwelt, Agrar und Verbraucherschutz geht es vor allem um die Zukunft der Atomenergie. Wesentlicher Punkt sind Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke und der Preis, der dafür von Stromkonzernen verlangt werden könnte. Themen sind auch die Atommüll-Lagerung sowie neue Förderbedingungen für erneuerbare Energien. Verkehrs- und Bauexperten verhandeln unter anderem über die Zukunft der Deutschen Bahn, die Finanzierung der Verkehrswege sowie die FDP-Forderung nach einer Mietrecht-Lockerung.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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