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Alle Parteien wollen eine bessere Pflege. Doch dafür müssen sie in der nächsten Legislatur viel Geld in die Hand nehmen. Foto: dpa

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Verband beklagt Investitionsstau: Milliarden fürs Soziale

Pflege, Armut, Wohnen: Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet vor, was die nötigsten Vorhaben in den nächsten Jahren kosten würden.

Wenn man alles zusammenrechnet, ist es ein gewaltiger Posten. 142 Milliarden Euro müssten die Regierenden in der nächsten Legislaturperiode investieren, um auf den wichtigsten sozialpolitischen Baustellen voranzukommen, heißt es in einer Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die am Donnerstag präsentiert wurde. Das wären gute 35 Milliarden pro Jahr. Und dabei gehe es „nicht um einen Wünsch-dir-was-Katalog“, sondern um „das absolute Minimum“, betonte Verbandschef Rolf Rosenbrock. Es handle sich ausschließlich um Bereiche, in denen der Handlungsbedarf parteiübergreifend unbestritten sei.

Beispiel Bildung: Allein um die Bausubstanz deutscher Schulen zu erhalten beziehungsweise marode Gebäude wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen, seien jährliche Investitionen von rund zwei Milliarden nötig. Wer auch künftig noch Schulsozialarbeit und Jugendzentren wolle, müsse noch mal mindestens 1,8 Milliarden investieren. Und die Kosten für mehr Lehrer, Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung sind noch gar nicht berücksichtigt.

Beispiel Pflege: Um sie würdevoller zu gestalten und auch Demenzkranken besser gerecht zu werden, soll Pflegebedürftigkeit nach dem Willen aller Parteien neu definiert werden. Für diese Verbesserungen seien pro Jahr sechs Milliarden Euro zu veranschlagen, rechnet der Verband vor – jeweils zwei Milliarden für ambulant und stationär Versorgte und zwei weitere für bislang unterversorgte Menschen mit Behinderung. Um pflegende Angehörige mit einem Familienpflegegeld (analog zum Elterngeld) zu unterstützen, wären zusätzlich knapp drei Milliarden nötig.

Beispiel Armutsbekämpfung: Um endlich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu erreichen, müssten die Hartz-IV-Sätze von derzeit 382 Euro auf 464 Euro erhöht werden. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband wären dafür jährlich gut 5,6 Milliarden Euro notwendig. Zur Vermeidung von Altersarmut bräuchte es aus Verbandssicht zudem eine höhere Grundsicherung. Geschätzte Kosten: 510 Millionen Euro pro Jahr.

Beispiel Wohnen und Energie: Angesichts der steigenden Mieten und Strompreise bedarf es aus Politikersicht ebenfalls eines sozialpolitischen Ausgleichs. Im sozialen Wohnungsbau müsse die Förderung pro Jahr von 30 000 auf 130 000 Wohnungen ausgeweitet werden, heißt es in der Verbands-Expertise. Dies schlüge mit Mehrkosten in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zu Buche. Um die Energiewende sozialverträglich zu halten, müsste das Wohngeld nach Empfehlungen des Mieterbundes um 550 Millionen pro Jahr aufgestockt werden. Und für Mobilitätshilfen beziehungsweise den öffentlichen Nahverkehr seien 160 Millionen nötig.

Beispiel Behinderte: Allein die politisch gewollte Integration an den Schulen würde nach Verbandsberechnungen, ordentlich gemacht, jährliche Mehrausgaben von rund 820 Millionen Euro verursachen. Weit teurer noch würde das sogenannte Teilhabegeld, das die Politik den Behinderten für die nächste Legislatur in Aussicht gestellt hat. Es würde nach Expertenschätzungen Jahr für Jahr rund 4,9 Milliarden Euro kosten.

Beispiel Gesundheit: Nur um den Investitionsstau in den Kliniken zu beseitigen, wären aus Verbandssicht 2,7 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Für Prävention und bessere Rehabilitation werden knappe 500 Millionen veranschlagt – ebenso viel wie für die bessere medizinische Versorgung und Integration von Migranten.

Um all dies zu stemmen, hält es der Verband für unumgänglich, hohe Einkommen und Vermögen stärker zu besteuern. Entsprechend plädierte Rosenbrock für einen „ehrlichen Wahlkampf“: Wer Reformen ankündige, müsse auch deren Kosten beziffern und „sagen, woher das Geld zur Finanzierung kommen soll“. Die Parteiprogramme erfüllten dieses Kriterium der Ehrlichkeit nicht.

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