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Politik: Milosevic-Prozess: Böse sind die anderen

Gerechtigkeit für Slobodan Milosevic - mit diesem schwierigen Projekt befasst sich nun auch die PDS-Sektion Tempelhof-Schöneberg. Wer am Sonntag nicht bei strahlend blauem Himmel auf den Märkten und Plätzen Berlins unterwegs war, konnte von 10 Uhr am Morgen bis 17 Uhr die PDS-Veranstaltung zum Internationalen Recht besuchen.

Von Caroline Fetscher

Gerechtigkeit für Slobodan Milosevic - mit diesem schwierigen Projekt befasst sich nun auch die PDS-Sektion Tempelhof-Schöneberg. Wer am Sonntag nicht bei strahlend blauem Himmel auf den Märkten und Plätzen Berlins unterwegs war, konnte von 10 Uhr am Morgen bis 17 Uhr die PDS-Veranstaltung zum Internationalen Recht besuchen. Auf dem Podium des großen Saals im Rathaus Schöneberg fanden sich zehn Herren, darunter auch der deutsche Sprecher des Internationalen Kommitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic (ICDSM), Klaus Hartmann, zugleich "Präsident der Weltunion der Freidenker".

Vor rund zweihundert Genossen und Getreuen sprachen außerdem der Hamburger Schauspieler Rolf Becker, der Bremer Rechtsanwalt Eberhard Schulz und der Bonner Klaus von Raussendorf. Den zahlreichen Berichterstattern des Milosevic-Prozesses in Den Haag ist das "Komitee" wohl bekannt. An nahezu jedem Prozesstag lud es, einer Sekte gleich, ins Hotel "Bel Air" ein, um klarzustellen, worum es beim Tribunal und "Schauprozess" tatsächlich geht.

Die Gründer des ICDSM erklären auf ihren Flugblättern: "Angesichts der verschärften Hexenjagd gegen Slobodan Milosevic durch Politiker und Medien der Nato-Staaten wurde beim 1. Europäischen Friedenskonvent in Berlin und dem 2. Belgrad-Forum in Belgrad, die anlässlich des 2. Jahrestages der Nato-Aggression am 24. März 2001 tagten, die Gründung des Komitees angeregt. Es vereinigt über 1000 Mitglieder aus rund 50 Ländern." Auch der Philosoph und Professor Noam Chomsky sowie der Dramatiker Harold Pinter zählen zu den Sympathisanten des Komittees, dessen Hauptvertreter der kanadische Anwalt Christopher Black ist.

Die Berliner Diskussion wartete mit solchen Köpfen nicht auf, doch die Argumentationslinien im In- und Ausland gleichen einander. Auch im Rathaus Schöneberg war also gestern zu hören, wie eine von den USA dominierte Welt unter George W. Bush von Afghanistan über Somalia, die Philipinen, Kuwait und Georgien - und natürlich Jugoslawien - neokolonial und rassistisch ihre Politik durchsetzt. Opfer dieser Politik sind Menschen wie Mumia Abu Jamal, ein afro-amerikanischer Journalist, der in der Tat seit Jahren unter fragwürdigen Bedingungen in den USA inhaftiert ist, und erst vor kurzem seine Verurteilung zum Tode abwenden konnte. Doch gleich neben Abu Jamal rangiert für einen der Podiumsteilnehmer - und sein applaudierendes Publikum - auch Slobodan Milosevic. Es ist mühsam den Bogen vom einen zum anderen zu schlagen, man muss weit ausholen. Das geht etwa so: Jamal und der Ex-Staatschef Jugoslawiens sind beide Opfer desselben, von Eigeninteressen geleiteten Systems (USA), und passten diesem System nicht ins Konzept.

Jamal verteidigte schwarze Amerikaner gegen die weiße Vorherrschaft, das war innenpolitisch nicht opportun, Milosevic verteidigte sein sozialistisches Heimatland gegen Separatisten, er wollte Jugoslawien zusammenhalten - das war außenpolitisch nicht opportun. "Was haben die Todestrakte in den USA mit dem Haager Tribunal zu tun?," fragt Ralph Hartmann, ehemaliger DDR-Botschafter in Jugoslawien die Schöneberger Runde, um viele, auch von westlichen Regierungen durchaus kritisierte Defizite amerikanischer Politik ins Feld zu führen: die Sache mit dem ABM-Vertrag, das aufgekündigte Kyoto-Protokoll, die Behandlung der Häftlinge in Guantanamo-Bay. Eine lange Liste, an deren Ende stets Slobodan Milosevic steht.

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