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Politik: Minuten-Minister

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Vizekanzler Joschka Fischer gilt als ein Politiker, der die Macht förmlich riecht. Menschen, Sachfragen und Situationen beurteilt er zuerst danach, ob sie seiner eigenen politischen Führungsstellung nutzen oder schaden.

Von Hans Monath

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Vizekanzler Joschka Fischer gilt als ein Politiker, der die Macht förmlich riecht. Menschen, Sachfragen und Situationen beurteilt er zuerst danach, ob sie seiner eigenen politischen Führungsstellung nutzen oder schaden. Kann man sich vorstellen, dass ein solches Temperament freiwillig die Macht oder gar sein Ministeramt zur Verfügung stellt?

Kürzlich hat Fischer genau das getan – und Journalisten waren nicht nur Zeugen, sondern Nutznießer seiner Bescheidenheit. Es war auf einer Auslandsreise. Als der Vizekanzler sich über den Wolken von den Fragen genervt fühlte, kam er auf die Idee, den Spieß umzudrehen und die Korrespondenten in die Verantwortung zu nehmen. Der Berliner Büroleiter einer überregionalen Zeitung wurde flugs zum Kanzler ernannt, ein Korrespondent zum Außenminister – und musste seine Vorstellungen ausbreiten, was die Regierung in der schwierigen außenpolitischen Lage nun zu tun habe. Doch, uups, es dauerte nur eine Minute, da kam wegen einer Kollision mit der Linie des Regierungschefs die Anweisung: „Das lässt sich der Bundeskanzler nicht gefallen, der Nächste.“

Auch dieser Journalist überstand dann nur eine Amtszeit von zwei Minuten, bis nach einem Vorschlag für eine internationale Konferenz das Fallbeil fiel: „Nee, nee, das wird nichts!“ Klar, dass auch der dritte Kandidat nur ein Minuten-Minister blieb.

War das nun demokratisch? Gewählt worden war keiner, bestimmt hatte nur einer. Nach der Verfassung beruft der Bundeskanzler die Kabinettsmitglieder. Was also war da mit Machtmüdigkeit über den Wolken? Alles Quatsch! Die wahre Kunst besteht eben darin, sich auch im Verzicht noch zu erhöhen.

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