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Im Gespräch. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und der Chef der Bischofskonferenz Zollitsch nach einem Gedankenaustausch im Ministerium.

© dpa

Missbrauchsdebatte: Eine Frage der Auslegung

Nach ihrem Gipfeltreffen geloben Staat und Kirche, enger zu kooperieren. Umstritten ist, wann der Staatsanwalt eingeschaltet wird.

Berlin - Mehr als eine Stunde haben sie am Donnerstag miteinander gesprochen: Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). „Dass die Kirche zu uns ins Ministerium kommt, ist für sie sicher kein einfacher Schritt“, sagte ein Ministeriumsmitarbeiter im Vorfeld verständnisvoll. Hinterher lobten beide Seiten den Austausch als „freundlich“ und „konstruktiv“ und verschickten eine gemeinsame Presseerklärung.

Und doch schimmerte zwischen den Zeilen durch: Nach wie vor bestehen an zentralen Punkten Differenzen zwischen Staat und Kirche. Beide Seiten haben am Donnerstag zwar bekräftigt, „in enger Kooperation“ eine umfassende Aufklärung der vergangenen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch in kirchlichen Einrichtungen entschlossen voranzutreiben. Doch wann genau diese Kooperation zwischen Staat und Kirche beginnen soll, bleibt auch nach dem Gipfeltreffen unklar. Verständigt hat man sich lediglich darauf, dass die Zusammenarbeit „schneller als bisher“ erfolgen soll.

Was Leutheusser-Schnarrenberger will, ist klar: Sie will die Kirche dazu bringen, dass sie sofort jeden Verdachtsfall anzeigt. Einen entsprechenden Beschluss der bayerischen Bischöfe vom März begrüßte die Ministerin beim Treffen deshalb ausdrücklich. Doch dieser Beschluss der Freisinger Bischofskonferenz ist unter den anderen Bischöfen durchaus umstritten. Dass die Bischofskonferenz ihm folgen wird, ist unwahrscheinlich.

Erzbischof Zollitsch betonte am Donnerstag, dass auch der Vatikan „auf die strikte Einhaltung des staatlichen Rechts“ bei der Aufarbeitung der Fälle bestehe. Die Kirche will die Staatsanwaltschaft bei Verdachtsfällen aber nicht sofort, sondern „frühzeitig“ einbinden. Denn auch in diesem Zusammenhang solle „dem Opferschutz eine besondere Bedeutung beigemessen werde“, sagte Zollitsch. Bischof Stephan Ackermann, seit Februar der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, hatte immer wieder auf Kriminologen und Psychologen verwiesen, die von einer sofortigen Anzeige bei einem Verdacht abraten. Wenn Betroffene wüssten, dass sofort der Staatsanwalt kommt, wenn sie sich der Kirche anvertrauen, könne das abschreckend wirken.

Wie man hier zueinander finden will, wie der „staatliche Strafanspruch durchgesetzt“ werden könne, so die Formulierung der Presseerklärung, das will man beim Runden Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch klären. Diese Runde, an der neben der Bundesjustizministerin die Ministerinnen Annette Schavan (Bildung, CDU), Kristina Schröder (Familie, CDU), die Kirchen und andere gesellschaftliche Organisationen teilnehmen, tagt am kommenden Freitag zum ersten Mal.

Zu dem Treffen zwischen Leutheusser- Schnarrenberger und Erzbischof Zollitsch war es gekommen, weil die Justizministerin der Kirche im Februar vorgeworfen hatte, bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen nicht genügend mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten zu wollen. Das hatte zu heftiger Empörung in der Bischofskonferenz geführt.

Unterdessen rief Papst Benedikt XVI. vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals zu Reue und Buße auf. „Ich muss sagen, wir Christen haben, auch in der letzten Zeit, oft das Wort Buße vermieden“, sagte Benedikt am Donnerstag in einer Andacht im Vatikan vor Mitgliedern der Päpstlichen Biblischen Kommission.

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