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Politik: Mission unerfüllt Von Clemens Wergin

Die einen kommen, die anderen gehen: Während die Amerikaner ihre Truppenstärke im Irak gerade um 21 000 Soldaten erhöhen, kündigt Dänemark einen kompletten Abzug an. Und der britische Premier Tony Blair will sein Kontingent bis zum Ende des Jahres von 7100 auf unter 5000 reduzieren.

Die einen kommen, die anderen gehen: Während die Amerikaner ihre Truppenstärke im Irak gerade um 21 000 Soldaten erhöhen, kündigt Dänemark einen kompletten Abzug an. Und der britische Premier Tony Blair will sein Kontingent bis zum Ende des Jahres von 7100 auf unter 5000 reduzieren. Nach einer mit den Amerikanern koordinierten Aktion sieht das nicht aus. Selbst wenn die Situation im mehrheitlich schiitischen Süden bei weitem nicht so kritisch ist wie in Bagdad, der umkämpften Hauptstadt, auf die die US- Truppen nun ihre Anstrengungen konzentrieren, so ist die symbolische Wirkung doch deprimierend für Amerikaner und Iraker. Blair will offenbar seinen Schreibtisch aufräumen, bevor Nachfolger Gordon Brown den Stab übernimmt. Dafür lässt er es sogar auf einen Riss mit George W. Bush ankommen.

Sicher, die britischen Generäle haben Blair gesagt, dass die „Aktion Sindbad“ in Basra erfolgreich war und das Ausmaß an Gewalt sich dort langsam auf einem einigermaßen annehmbaren Niveau einpendelt. Von jetzt an allerdings könnte die pure Anwesenheit der britischen Soldaten Anlass für neue Gewalt sein. Die Soldaten waren Teil der Lösung des Problems, nun werden sie selbst zum Problem. Dieser Meinung ist jedenfalls Sir Richard Dannatt, der neue, ungewöhnlich offenherzige Oberbefehlshaber der britischen Armee. Aber selbst, wenn das zutreffen sollte: Die Briten und die kriegsmüden Dänen senden mit ihrer Ankündigung ein Signal der Resignation aus. Nachdem Zehntausende Iraker das Land verlassen haben, gehen nun auch die treuesten Verbündeten der Amerikaner. Und das in einer Zeit, in der die USA einen letzten Anlauf nehmen, das Blatt zu wenden.

Seit einer Woche sind amerikanische und irakische Sicherheitskräfte in Bagdad in der Offensive und setzen ihre neue Sicherheitsstrategie um. Die Ergebnisse sind durchwachsen. Es gibt Berichte darüber, dass Mitglieder und Anführer von Milizen die Stadt verlassen. Muktada al Sadr, der Kopf der gefürchteten schiitischen Mehdi-Armee, soll der Regierung gar eine Liste übergeben haben von Teilen seiner Bewegung, die er nicht mehr unter Kontrolle hat und von der er sich distanziert. Gleichzeitig werden weiter Anschläge verübt. Und es bleibt unklar, ob Iraks Behörden wirklich so entschlossen sind, gegen alle Gewalttäter gleichermaßen vorzugehen, wie dieser Tage immer behauptet wird – oder ob Teile der Regierung nicht gemeinsame Sache mit Sadr und Konsorten machen.

Der Ernst der Lage dürfte Iraks Regierung jedenfalls nicht entgangen sein. Die inneramerikanische Debatte der letzten Monate hat gezeigt, dass dies die letzte US-Offensive vor einem abgestuften Rückzug ist. Premierminister Nuri al Maliki wird auch bemerkt haben, dass in Washington schon seit geraumer Zeit Medienstrategien für den Fall des Scheiterns vorbereitet werden. Der republikanische Senator John McCain, einer der profiliertesten Befürworter der Truppenverstärkung, hat sich auf Donald Rumsfeld als alleinigen Schuldigen festgelegt, um seine Präsidentschaftskandidatur zu retten. Und die US-Regierung bereitet das Terrain, um die Verantwortung der irakischen Regierung zuschieben zu können.

Der Erfolg hat viele Väter, heißt es, und es ist beileibe nicht ganz ausgeschlossen, dass die neue Strategie Erfolg haben könnte. Eines ist jedoch klar: Auch dem Misserfolg wird vorgebeugt. So realitätsfern ist nicht einmal die Bush-Regierung, dass sie ein Scheitern nicht einkalkuliert – und schon mal vorsorglich ein paar Schuldige identifiziert.

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