zum Hauptinhalt

Politik: Mit allen Mitteln

Venezuelas Sozialisten vertagen Chavez’ Amtseid Das ist verfassungsrechtlich umstritten.

Bogota - Hugo Chavez, der krebskranke Präsident Venezuelas, hat einen Wunschnachfolger: Es ist der Ex-Außenminister und Vizepräsident Nicolas Maduro. Doch zunächst würde ihn wohl Diosdado Cabello beerben. Cabello wurde am Wochenende turnusgemäß als Parlamentspräsident vereidigt. Damit würde er und nicht Maduro als Übergangspräsident die Machtbefugnisse übernehmen, sollte Chavez wie erwartet am 10. Januar nicht zur Vereidigung für die kommende Amtsperiode bis 2019 erscheinen können – nach der Verfassung eine Voraussetzung für den Verbleib im Amt.

Die heimtückische Krankheit des „Comandante Presidente“ bringt die regierenden Sozialisten in Zugzwang. Chavez sollte und wollte seinen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in den nächsten sechs Jahren vollenden, doch vieles deutet darauf hin, dass der 58 Jahre alte Staatschef vorerst die Amtsgeschäfte nicht übernehmen kann. Ob er nach den schweren gesundheitlichen Rückschlägen und Komplikationen im Anschluss an seine neuerliche Krebsoperation überhaupt noch einmal dazu in der Lage sein wird, ist unklar.

Venezuelas Sozialisten versuchen alles, um Chavez an der Macht zu halten. Maduro erklärte, nirgendwo in der Verfassung stehe geschrieben, dass der 10. Januar tatsächlich als Termin für die Vereidigung vorgeschrieben sei. Wenn der Präsident krank sei, müsse man eben die Prozedur verschieben. Cabello versicherte, er werde alles dafür tun, dass sich die Wähler, die am 7. Oktober für Chavez gestimmten hätten, nicht betrogen fühlten.

Die Vorgehensweise der Sozialisten ist verfassungsrechtlich umstritten, die Opposition fordert Neuwahlen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Machthaber in Caracas im Wahlkampf offenbar bewusst die Unwahrheit über den Gesundheitszustand von Chavez erzählt haben. Chavez betonte immer wieder, er habe den Krebs besiegt. Seine wundersame Heilung inszenierten die staatlichen Medien wie ein Hollywood-Märchen. Doch der Krebs holte ihn ein. Die neuerliche Geheimniskrämerei um den Gesundheitszustand des Präsidenten, den nur engste politische Vertraute und Familienmitglieder in Havanna besuchen können, schwächt die beschädigte Glaubwürdigkeit der Regierung weiter. Trotz der zwei Dutzend offizieller Bulletins ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet.

Die Verschiebung der Vereidigung wirft nun Fragen auf. Chavez hatte seinem Wunschnachfolger Maduro bereits einen Teil seiner Machtbefugnisse übertragen, Cabello wäre als Übergangspräsident aber der tatsächliche Machthaber. Spekulationen aus den Reihen der Opposition über einen Machtkampf zwischen den beiden Chavez-Erben weist das Duo energisch zurück. Die Debatte über die Nachfolge wäre mit einer zeitlichen Verschiebung der Vereidigung erst einmal vertagt. So wäre immerhin Zeit gewonnen. Doch mittlerweile ist auch dem letzten „Chavista“ in Venezuela klar: Seit Chavez in einem Krankenhauszimmer in Havanna auf Kuba durch Schläuche künstlich beatmet wird, werden hinter den Kulissen die Weichen für die Zeit danach schon gestellt. Tobias Käufer

Zur Startseite