zum Hauptinhalt

Politik: Mit alten Seilschaften ins neue Jahrtausend Slowenien wählt am Sonntag

einen neuen Präsidenten

Das kleine Slowenien ist unter den ehemaligen sozialistischen Staaten der EU-Beitrittskandidat mit dem höchsten Lebensstandard. Beim Bruttoinlandsprodukt und beim Einkommen hat es Griechenland und Portugal eingeholt, ist also als Erster auf EU-Niveau angekommen. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 6,4 Prozent unter dem EU-Schnitt, und beim Wirtschaftswachstum – drei Prozent im Jahr 2001 – stellt Slowenien alle westeuropäischen Staaten in den Schatten.

Der kleine Staat zwischen Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien verdankt seinen Wohlstand seiner beispiellosen inneren Stabilität. Geradezu friedlich hat sich das Land im Juni 1991 aus Jugoslawien herausgelöst. Die Regierenden in der Hauptstadt Ljubljana waren damals dieselben wie heute: Der alte (reform)kommunistische Kader Milan Kucan ist Staatspräsident; der zum Liberaldemokraten gewandelte Janez Drnovsek führt seit der Unabhängigkeit die Regierung.

An diesem Sonntag werden die Slowenen ihr Staatsoberhaupt neu wählen. Unter den neun Kandidaten hat Drnovsek mit Abstand die größten Chancen. Der 61-jährige Kucan wird formell abtreten, aber seine informelle Führungsrolle in den Vorwende-Seilschaften, die das Land in Wahrheit beherrschen, macht dem bisher schon Unangreifbaren niemand streitig.

Das Einzige was die EU an Slowenien noch auszusetzen hat, ist das Tempo der Privatisierung, sofern man hier überhaupt von „Tempo“ sprechen kann. Das Schicksal Ungarns vor Augen fürchtete die slowenische Regierung einen Ausverkauf des Staates. Deshalb verscherbelten die Slowenen ihr Familiensilber nicht; eher ließen sie es in Gold aufwiegen. Mit dem Geld wirtschaftet man erfolgreich in den früheren Bruderstaaten: Slowenien gehört zu den Hauptinvestoren auf dem Gebiet des alten Jugoslawien, zu dem es für die EU eine Brücke sein will.

Weltpolitisch ist das moderne Slowenien nur ein einziges Mal aufgefallen, nämlich im Juni 2001, als George W. Bush und Vladimir Putin es zum Ort ihres ersten Treffens erkoren hatten. Das hat den Tourismus, die stärkste Devisenquelle des Landes, erst so richtig zum Sprudeln gebracht. Noch heute stehen Amerikaner in Ljubljana Schlange, um wenigstens für eine Nacht die original „Bush-Suite“ zu bewohnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false