zum Hauptinhalt

Politik: Mit den Stimmen der Soldaten

Menschenrechtler: Referendum in Tschetschenien verschieben

Moskaus Emissäre hatten es leicht: 3000 und damit ein Viertel der benötigten Unterschriften für das Verfassungsreferendum in Tschetschenien sammelten Mitarbeiter der moskautreuen Verwaltung in ganzen zwei Tagen ein: bei den in der Republik stationierten russischen Soldaten. Zweifel an Behauptungen, wonach sich das für den 23. März geplante Referendum breiter Unterstützung bei der Bevölkerung erfreut, sind daher mehr als angebracht. Dennoch ist ein positives Ergebnis so gut wie sicher. Das Militär – momentan rund 80 000 Mann – soll auch an der Abstimmung selbst teilnehmen. Ein Großteil der Tschetschenen will die Abstimmung über den von Moskau festgelegten Entwurf ohnehin boykottieren. Beobachter kritisieren daher, dass nach wie vor Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit der russischen Kaukasuspolitik liegen.

Für Moskaus Verwalter in der Rebellenrepublik, Ahmed Kadyrow, ein guter Grund, Abgeordneten des Europarates, die die Region bereisten, entgegenzueilen: In Tschetschenien sei alles für das Referendum bereit, erklärte er schon bei Ankunft der Delegation auf dem Flughafen des nordkaukasischen Kurortes Mineralnyje wody. Ob der Reisebericht, den Delegationsleiter Frank Judd in dieser Woche in Straßburg vorlegen will, das kritiklos übernimmt, bleibt abzuwarten. Lord Judd gehört zu den schärfsten Kritikern von Moskaus Appeasement-Versuchen und dürfte nach einer weiteren Schadensbesichtigung vor Ort und Unterredungen mit Bürgerrechtlern in der Nachbarrepublik Inguschetien in seiner Skepsis eher bestärkt worden sein.

Nach wie vor verweigern Tausende der in Zeltstädten kampierenden Kriegsflüchtlinge in Zeltstädten die Rückkehr nach Tschetschenien – wegen der Sicherheitsrisiken und der permanenten Verletzungen der Menschenrechte. Beides hat Bürgerrechtsbewegungen schon dazu bewogen, von der russischen Führung eine Verschiebung des Referendums zu verlangen. Gegenwärtig seien keine freien Willensäußerungen möglich. Das geplante Referendum sei eine „reine Show der russischen Führung, um der Welt zu beweisen, man habe in Tschetschenien alles im Griff", sagte der Vorsitzende der Internationalen Helsinki-Gruppe, Aaron Roads, im russischen Dienst von US-Auslandssender Radio Liberty.

Roads kritisierte vor allem, dass beim Referendum keine internationalen Beobachter zugegen sein werden. Auch deutet bisher nichts darauf hin, dass Moskau die Restriktionen für die Medien lockert. Ausländische Journalisten dürfen Grosny nur mit Sondergenehmigung und in geführten Gruppen besuchen. Russische Berichterstatter dürfen nach Genehmigung auch außerhalb der Hauptstadt arbeiten, werden jedoch von Presseoffizieren zensiert.

Nach dem Rauswurf der OSZE-Beobachtergruppe Ende Dezember bekomme die Welt keine ungefilterten Informationen mehr aus Tschetschenien, rügten auch russische Menschenrechtsgruppen, die zusammen mit der Reformpartei „Union der rechten Kräfte“ ebenfalls eine Verschiebung des Referendums fordern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false