zum Hauptinhalt

Politik: Mit Gott und Nation

Damaskus stellt die unbequeme UN-Untersuchung zum Hariri-Mord als Angriff auf alle Syrer dar

„Gott beschütze Syrien“ steht auf den riesigen rot-grün-weißen Flaggen, die um den zentralen Rawda-Platz in Damaskus hängen. Es ist nicht die Flagge der sozialistischen Baath-Partei, welche laut Verfassung die „führende Partei“ in Gesellschaft und Staat ist und de facto seit 40 Jahren das Land beherrscht. „Wir haben nur die syrische Fahne aufgehängt“, betont der 20-jährige Journalistik-Student Moutaz Hassan stolz. Er gehört zur Syrischen Vereinigung für Public Relations, formell eine Nichtregierungsorganisation, die auf dem Platz direkt unterhalb der US-Botschaft ein Zelt aufgebaut hat. „Hier sollen alle Syrer, egal welcher politischen Ausrichtung, zusammenkommen und diskutieren“, sagt Hassan. Das sei etwas völlig Neues – Hassan wirkt stolz.

So empfängt der junge Mann in Jeans und Strickjacke wenige Minuten später den Generalsekretär der Baath-Partei von Damaskus, Khalil Mashhadiya, der mit einer Delegation in dem Zelt vorbeischaut. Es ist ungewöhnlich, dass ein Parteibonze, im altmodischen grüngrauen Anzug, das Gespräch mit Hassan und seinen Freunden sucht, die mit ihren Baseballmützen und Diesel-Jeansjacken Teil der globalisierten Jugendkultur zu sein scheinen. Ein wirkliches Gespräch wird es auch nicht. Ein Delegationsmitglied trägt ein Anti-Bush-Gedicht vor, ein junger Mann der Vereinigung eine Ode an sein Heimatland. Nur einmal wird es spannend. Eine 40-jährige Frau will von dem Funktionär in erregtem Ton wissen, wie die Führung das Land in eine derart desolate Lage habe bringen können, dass die gesamte Welt gegen Syrien stehe.

Auch in den Medien und im Fernsehen dürfen die Syrer dieser Tage etwas mehr Luft ablassen und kritische Anmerkungen machen. Doch ansonsten scheint die Strategie des Regimes aufzugehen. Sie besteht darin, die UN-Untersuchungskommission zum Mord am libanesischen Ex-Präsidenten Rafik Hariri als westliche Konspiration gegen das Land darzustellen. Bei dem tiefen Misstrauen der Syrer gegen den Westen und die USA, deren Regierung wegen ihrer Politik in Palästina und im Irak verhasst ist, ist dies ein leichtes Spiel. Das Regime setzt auf Nationalismus und neuerdings auch auf Gottes Hilfe. Die Vereinigung für Public Relations ist Teil dieser Strategie. Ihr Leiter ist Nezar Mihoub, der gleichzeitig die Abteilung für ausländische Journalisten im Informationsministerium leitet. Zwar will er diesen Job in spätestens zwei Monaten abgeben – der smarte junge Mann im schwarzen Designeranzug spürt möglicherweise, dass die Glaubwürdigkeit der so genannten Nichtregierungsorganisation unter dieser Verquickung der Ämter leidet. Kritische Syrer nennen die Vereinigung eine Nichtregierungsorganisation der Regierung.

Seinen größten innenpolitischen Coup landete das Regime, als es vor zwei Wochen den Zeugen Hussam Taher Hussam seine Aussagen gegenüber der UN-Untersuchungskommission zurücknehmen ließ. Der Mann, auf dessen Angaben viele Anschuldigungen gegen Damaskus beruhen, kam morgens aus Libanon über die Grenze und gab am Abend ein Interview im Fernsehen. Seine Aussagen seien von Saed Hariri, dem Sohn des ermordeten Ex-Premiers, erkauft worden. Für ausländische Diplomaten und Oppositionelle ein durchsichtiges Spiel des Regimes. Auch der Leiter der UN-Untersuchungskommission, Detlef Mehlis, scheint wenig beeindruckt zu sein und versicherte, zahlreiche Zeugen hätten die Aussagen Hussams bestätigt. Doch für viele Syrer war es der Beweis, dass die gesamte juristische Untersuchung ein politisch abgekartetes Spiel ist. Auch die Diskreditierung von Mehlis, dem eine jüdische Großmutter und Kooperation mit dem israelischen Geheimdienst nachgesagt werden, gehört zu dieser Strategie. „Viele Syrer haben das Gefühl, damit sei die Bedrohung vom Tisch“, meint der Korrespondent der Zeitung „Al Hayat“, Ibrahim Hamidi. Er ist überzeugt, dass es bei der Präsentation des neuen Berichts diese Woche eine „böse Überraschung“ für sie geben wird.

Zur Startseite