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Umbruch in Kiew.

© dpa

Mit Hilfe der EU: Die Ukraine sortiert sich neu

Die ukrainische Übergangsregierung bittet die Europäer um ein breites Hilfsprogramm. Angesichts des herrschenden Chaos scheint das nötig. Denn immer noch bestimmen die Superreichen den Kurs in Kiew.

Die EU und die USA sind sich einig: Die Ukraine benötigt neben finanzieller Hilfe vor allem Know-How-Vermittlung auf dem Gebiet der Regierungsführung (good governance). Während seines zweittätigen Ukraine-Besuchs hat EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle der ukrainischen Übergangsregierung einen so genannten State Building Contract, also einen Vertrag zur Schaffung einer europäischen Staatsstruktur, mitgebracht. Um die Übergangsregierung in Kiew demonstrativ zu unterstützen, reiste Füle mit 28 Vertretern aus allen EU-Ressorts an.

Und auch die deutsche Botschaft in Kiew sagt: "Die Ukraine braucht in den nächsten Jahre tiefgreifende, intensive und dauerhafte Unterstützung, damit sich das Land modernisieren kann." Dazu brauche es in Kiew einen Partner, der die harten Reformen auch umsetzen kann. Der ukrainische Übergangsministerpräsident Arsenij Jazenjuk fordert seine westlichen Partner in Brüssel, Berlin und in Washington dazu auf, ein möglichst breit gefächertes Hilfsprogramm anzubieten. Während einer Kabinettssitzung betonte der 39 Jahre alte Wirtschaftsfachmann, dass Finanzhilfe alleine die Ukraine nicht weiterbringe. Im Gegenteil, die Behörden bräuchten auf allen Ebenen die Unterstützung von Fachleuten aus der EU.

Weg vom Negativ-Image

Dieser neue Kurs gefällt nicht jedem in der Ukraine. Die meisten Politiker und hohen Beamten würden erst langsam begreifen, dass sich die Zeiten geändert haben. Politikwissenschaftler wie Vadim Karasew, der seit Jahren die politische Lage des Landes analysiert, sagte Anfang der Woche in einem TV-Interview mit dem Sender TVI: "Die Regierung hat den denkbar härtesten Job, den man sich vorstellen kann. Das Land steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit und Russland hat die Krim annektiert." Unter diesen Voraussetzungen müsse Augenmaß gezeigt werden, außerdem gelte Führungskompetenz. Hilfe von außen sei zwar wichtig, aber die Leute dürften auch nicht den Eindruck bekommen, von Fremden gesteuert zu werden.

Medien wie das Internetportal Lewij Bereg kritisieren vor allem die jetzige Opposition. Die Partei der Regionen habe sich der Regierungsverantwortung entzogen. Stattdessen sei man derzeit vor allem damit beschäftigt, sich vom Negativ-Image eines von Oligarchen jahrelange ausgehaltenen "Abnickvereins" in eine demokratische Partei zu verwandeln. "Politiker wie Sergej Tigipko, die bis vor kurzem noch dem Kabinett von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch angehört haben, treten nun auf und präsentieren sich als neue Gesichter", schreibt Chefredakteurin Sonia Koschkina.

Die Oligarchen sind weiterhin mächtig

Sie lässt kaum ein gutes Haar an Tigipko, dem Milliardär mit Komsomolzen-Vergangenheit, der 2004 als Wahlkampfchef von Viktor Janukowitsch Millionen Dollar an Bestechungsgeldern verteilt haben soll. 2009 tauchte er dann wieder auf und bewarb sich für das Präsidentenamt - erfolglos. Nun habe sich Tigipko zum Vorsitzenden der früheren Janukowitsch Partei gemacht, „ohne die Mitglieder zu befragen, Demokratie sieht anders aus“, so die Journalistin.

Ende dieser Woche küren die großen Parteien ihre Kandidaten, von Auswahl kann keine Rede sein, jeweils ein Kandidat steht in jeder Partei bereit. Diesen sollen die Delegierten mit einem möglichst hohen Wahlergebnis bestätigen. Beobachter sind sich einig, dass auch in diesem Wahlkampf wieder sehr viel Geld eingesetzt wird. "Obwohl die Menschen monatelang gegen das Oligarchensystem angekämpft haben, werden die Superreichen auch dieses Mal bestimmen, wer der nächste Präsident oder Präsidentin der Ukraine werden wird", prophezeit ein bekannter ukrainischer Politikwissenschaftler, der mit diesem Zitat namentlich nicht genannt werden möchte. Auch sein Institut hängt am Geldtropf eines Oligarchen..

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