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Glasfaserkabel ermöglichen den Internetverkehr. Sie werden nach Angaben des Enthüllers Edward Snowden vom britischen Geheimdienst GCHQ angezapft. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

© picture alliance / dpa

Politik: Mit jeder Faser dabei

Der britische Geheimdienst kann offenbar einen Großteil des Internetverkehrs in Europa speichern.

Berlin - Der britische Geheimdienst GCHQ gerät in der Debatte um Spionagetätigkeiten ausländischer Geheimdienste auf deutschem Boden stärker in den Fokus. Die „Süddeutsche Zeitung“ und der Norddeutsche Rundfunk berichteten, dass die Briten direkten Zugriff auf 14 Überseekabel haben, durch die der Großteil des Internetdatenverkehrs geleitet wird, darunter auch das wichtige transatlantische Datenkabel TAT-14. SZ und NDR berufen sich in ihren Berichten auf Unterlagen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Den Angaben zufolge kann der britische Geheimdienst einen wesentlichen Teil des europäischen Internetverkehrs speichern und auch auswerten. In den Berichten heißt es, auch die Deutsche Telekom leite über drei der 14 Kabel Daten. TAT-14, SeaMeWe-3 und Atlantic Crossing 1 heißen die mutmaßlich angezapften Kabel, und sie treffen an der Nordseeküste auf deutschen Boden – in der ostfriesischen Stadt Norden und auf Sylt. An zwei Kabeln sei die Deutsche Telekom beteiligt.

Weltweit wird der Internetverkehr durch ein dichtes Netz an Glasfaserkabeln geleitet. Die Telekom erklärte am Donnerstag, dass sie ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten und Netze in Deutschland gewähre. „Zu möglichen Programmen britischer Geheimdienste haben wir keine Erkenntnisse“, hieß es weiter. Betrieben werden die Seekabel von Konsortien, also Zusammenschlüssen verschiedener Firmen. Das ist auch notwendig, um die Durchlässigkeit der Daten zu gewährleisten. Für die technischen Einrichtungen an Land sind meist einheimische Unternehmen zuständig, die, so die Telekom, an das jeweilige Landesrecht gebunden sind. „Inwieweit andere Anbieter mit Diensten zusammenarbeiten, können wir nicht beurteilen“, hieß es bei der Telekom. Man habe schon geprüft, ob es eine rechtliche Grundlage gebe, mit deren Hilfe man Auskunft von den Briten verlangen könne. „Aufgrund des UK Official Secrets Act besteht allerdings eine Verschwiegenheitsverpflichtung dieser Unternehmen“, erklärte ein Telekom-Sprecher. Die Telekom tue, was sie könne, sagte er weiter. „Wenn es aber um die Eindämmung von Spionage geht, braucht es Vereinbarungen zwischen Staaten. Da ist die internationale Politik gefragt.“

Vor allem auf europäischer Ebene wird das Verhalten der Briten sehr genau beobachtet. Denn vielen EU-Parlamentariern stoßen die Aktivitäten der Briten deutlich übler auf als die Datenspeicherung des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Alexander Graf Lambsdorff, Fraktionsvize der Liberalen im Europaparlament, hat von Großbritannien angesichts der neuen Spionagevorwürfe beispielsweise grundsätzlich Klarheit gefordert. „Das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien wird durch solche Nachrichten nicht besser. Europa kann von Großbritannien eine Antwort auf die Frage erwarten, wem die Loyalität Großbritanniens gilt: den USA oder den eigenen europäischen Partnern“, sagte Lambsdorff dem Tagesspiegel. Die neuen Erkenntnisse überraschten ihn zwar nicht, „aber sie bestätigen, dass Großbritannien losgelöst von vertraglichen Verpflichtungen Spionage gegen die eigenen Partner betreibt“, erklärte der Liberale. Er verlangte, dass sich die EU mit dem Thema beschäftigen solle. „Damit ist die Debatte endgültig in Europa angekommen, und der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des EU-Parlaments muss sich mit dem Verhalten der Briten nach der Sommerpause unbedingt auseinandersetzen, denn es gibt hier dringenden Klärungsbedarf“, sagte Lambsdorff.

Aber auch in Deutschland lösen die Berichte noch einmal Diskussionen rund um die Spionageaffäre aus. Auf SPD-Initiative ist für Dienstag eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages einberufen worden. „Was jetzt bekannt wird, bestätigt unsere Vermutung: Der amerikanische Geheimdienst NSA und der britische Geheimdienst GCHQ spähen die deutsche Kommunikation aus“, sagte der Vorsitzende des Gremiums, SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der Nachrichtenagentur dpa. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz verlangte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), auf die „sofortige Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens in Brüssel“ zu dringen. „Klar ist: Die Briten betreiben eine Überwachungsmaschinerie gegen alle Bürgerinnen und Bürger Europas.“

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