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Politik: Mit kleiner Münze

Die Briefe kamen von der Halbinsel Kamtschatka, aus Sibirien oder von der Insel Sachalin nördlich von Japan. Oft war es nur eine formlose Nachricht auf einem Blatt Papier.

Die Briefe kamen von der Halbinsel Kamtschatka, aus Sibirien oder von der Insel Sachalin nördlich von Japan. Oft war es nur eine formlose Nachricht auf einem Blatt Papier. Bei der russischen Stiftung "Verständigung und Aussöhnung" sind über 500 000 Anträge von früheren NS-Zwangsarbeitern eingegangen, die Geld aus dem deutschen Entschädigungsfonds bekommen wollen. Doch erst 13 800 Zwangsarbeiter erhielten bis Mitte Februar eine erste Rate ihrer Entschädigung.

In Berlin gilt Russland als das Sorgenkind. Die Zahlungen sind dort erst mit großer Verspätung angelaufen und kommen jetzt nur schleppend voran. In Moskau ist man sich der Probleme durchaus bewusst. "Wir tun alles, um die Zahlungen so schnell wie möglich zu beenden", versicherte Natalija Malyschewa, die Vorsitzende der Stiftung, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Doch die Gründe für die Verzögerungen sind zahlreich: Da ist zum einen die Größe des Gebiets, das von der russischen Stiftung abgedeckt wird. Neben Russland ist das Moskauer Büro auch für Lettland und Litauen sowie die südlichen Staaten der GUS zuständig.

Vor allem wird die russische Stiftung durch ihre eigene Vergangenheit belastet: 1993 hatte die Bundesrepublik bereits 400 Millionen Mark zur Entschädigung von NS-Opfern an die Moskauer Stiftung gezahlt. Nach Berichten des russischen Rechnungshofes gingen davon über 80 Millionen Mark verloren, durch Bankenpleiten und riskante Transaktionen. Darüber redet Natalija Malyschewa nicht gern, vielleicht, weil die Folgen dieser Geschichte sie bis heute begleiten. Ende Mai vergangenen Jahres übernahm sie die Leitung der Stiftung. Die Vorbereitung der Auszahlungen begann daher erst im Juni. Nicht nur in Russland gab es die Befürchtung, die Geschichte von damals könnte sich wiederholen. Bei ihrem ersten Treffen mit Vertretern der deutschen Stiftung hatte Malyschewa noch den Eindruck, dass diese ihr nicht wirklich vertrauten. Heute sprechen beide Seiten von einer guten Zusammenarbeit. Um diese nicht zu gefährden, änderte Malyschewa in letzter Minute ihren Bericht an das Kuratorium in Berlin. Zuvor hatte sie mehrfach betont, dass die vorgesehenen 427 Millionen Euro nicht für alle NS-Opfer reichen. Den Fehlbetrag hat das Moskauer Büro genau errechnet, nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um 286 Millionen Euro. Doch Malyschewa schwärzte die Zahl in ihrem Bericht - einen Konflikt über Geld wollte sie unbedingt vermeiden. "Die Zahl ist nicht unbedingt realistisch", sagt sie jetzt.

Bei der Bundesstiftung sieht man das ähnlich. Am Ende zähle nicht die Gesamtzahl der Anträge, sondern die Zahl der Berechtigten, sagt Vorstandschef Michael Jansen. Bisher wurden in Moskau nur 40 000 Anträge anerkannt - erst nach dieser Prüfung kann Berlin Geld überweisen. Ab März sollen monatlich 20 000 Anträge bearbeitet werden - ein ehrgeiziges Ziel: 200 000 NS-Opfer könnten bis Ende des Jahres ihr Geld bekommen.

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