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Politik: Mit Möllemanns Macht

Von Jürgen Zurheide, Düsseldorf Die Idee war untypisch für die Grünen. Im kleinen Kreis hatten sie überlegt, wie sie reagieren würden, wenn die Liberalen ihr früheres Mitglied Jamal Karsli endgültig aufnähmen.

Von Jürgen Zurheide, Düsseldorf

Die Idee war untypisch für die Grünen. Im kleinen Kreis hatten sie überlegt, wie sie reagieren würden, wenn die Liberalen ihr früheres Mitglied Jamal Karsli endgültig aufnähmen. Die einen plädierten für eine Pressemitteilung, um den gebürtigen Syrer noch einmal aufzufordern, sein über die grüne Liste erworbenes Landtagsmandat zurückzugeben. Inhaltlich verständigten sich die Grünen schnell auf diesen Kurs, aber dann kam ein Vorschlag, der eigentlich zu Guido Westerwelle gepasst hätte: Die Grünen wollen Karsli mindestens ein Jahr lang den Beitrag für die Konkurrenzpartei bezahlen, wenn sie dessen Ansichten zum Nahen Osten nicht mehr rechtfertigen müssen.

Eben diese Ansichten führen inzwischen auch bei den Liberalen zu heftigen Auseinandersetzungen, und selbst Jürgen Möllemann, der unumstrittene Führer der liberalen Truppe im größten Bundesland, spürt zum ersten Mal seit Jahren Gegenwind. Als er den grünen Abweichler mit einem Überraschungscoup kurz nach der Wahl in Sachsen-Anhalt als neues Fraktionsmitglied präsentierte, applaudierten ihm viele Liberale, zumal die rot-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Landtag dadurch auf drei Stimmen schmilzt. Nicht zuletzt, weil zwei Sozialdemokraten wegen der Kölner Spendenaffäre vom Ausschluss bedroht sind, sahen sich viele Liberale schon als neuer Koalitionspartner an der Seite von Wolfgang Clement.

Erst als sie etwas näher auf die Texte von Jamal Karsli schauten, erwachten die Liberalen. Zunächst ereiferten sie sich darüber, dass er den Israelis „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hatte, und zwangen ihn, dies zu dementieren; was er dann auch öffentlich tat. Die wenigen kritischen Stimmen in der Fraktion verstummten, als Karsli versprach, solche Ausfälle künftig zu unterlassen. Zugleich lag dem Kreisverband Recklinghausen ein Aufnahmeantrag des arabisch-stämmigen Abgeordneten mit deutschem Pass vor. Entscheiden muss laut FDP-Satzung der lokale Vorstand über den Parteieintritt. Den führt Mathias Richter, ein Vertrauter von Jürgen Möllemann.

Nach dem Widerruf sah sich Möllemann schon am Ziel, hatte allerdings Jamal Karslis Beredtheit unterschätzt. Während er öffentlich dem Begriff des „Nazi-Terrors“ abschwor, gab er ausgerechnet der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ ein Interview, das nicht nur bei Paul Spiegel Empörung hervorrief. „Israel betreibt Staatsterrorismus“, sagt Karsli dort und schimpft über den „Einfluss der zionistischen Lobby“ in den Medien. Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden forderte die FDP auf, sich von solchem Gedankengut zu distanzieren, und auch in der eigenen Partei regte sich massiver Widerstand.

Otto Graf Lambsdorff verlangte, Karsli nicht aufzunehmen, Hildegard Hamm-Brücher drohte gar mit Parteiaustritt. Andreas Pinkwart, Stellvertreter Möllemanns im Landesverband, legte sich ebenfalls fest: „So jemand darf keine Heimat in der FDP finden." Beim Bundesparteitag der Liberalen war Karsli nicht willkommen, er wurde von der NRW-Spitze wieder nach Hause geschickt. Das wiederum empörte Möllemann. In der Fraktion und im Restlandesvorstand suchte man nach einer Kompromisslinie.

Sowohl der stellvertretende Landesvorsitzende Andreas Reichel als auch sein Stellvertreter in der Fraktion, Stefan Grüll, warben hinter den Kulissen für einen – vorläufigen – Verzicht Karslis auf die Mitgliedschaft. Doch der war am Ende nicht bereit zurückzustehen. „Die arabische Gemeinde, die mich stützt, wartet auf das Signal“, überzeugte er Möllemann. Dessen Fraktionsmitarbeiter Richter hatte demnach keine andere Wahl, als im Vorstand von Recklinghausen eine Mehrheit für Karsli herbeizuführen.

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