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Politik: Mit viel Berechnung

Ulla Schmidt kämpft um ihre Rentenreform – und will die Kritiker der Mindesthöhe durch eine Geste besänftigen

Von Antje Sirleschtov

Bert Rürup gilt als anerkannter Streiter für die Sicherung des Beitragsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wenn nun Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) ihren Gesetzentwurf zur Rentenreform zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag auf Drängen einiger (linker) Kritiker in ihrer Fraktion zu Gunsten der Rentner nachgebessert hat, dann sollte man erwarten, dass der Rentenexperte Rürup dieses politische Manöver aufs schärfste kritisiert – im Interesse der Beitragszahler. Doch dem ist nicht so. Die Änderung, meint der Wissenschaftler, sei „absolut reformunschädlich“. Erst wenn die Ministerin der Fraktion noch weiter entgegengekommen wäre, wenn sie das Mindestrentenniveau auch für das Jahr 2030 im Gesetz bei 46 Prozent festgeschrieben hätte, dann, so Rürup, „könnte man sich die ganze Reform sparen“.

Was hat Schmidt zu einem solchen Zugeständnis bewogen, wenn es den Rentnern gar nicht helfen wird? Die Antwort: Es handelt sich um eine Geste an alle Fraktionäre der SPD und der Grünen, die in den vergangenen Tagen offen oder verdeckt zu verstehen gegeben hatten, dass sie das Reform-Gesetz der Regierung aus Gründen der sozialen Balance torpedieren wollen. Weil es ihrer Auffassung nach die Rentner auf Dauer zu besseren Sozialhilfeempfängern macht. Und weil es nichts anderes als die Fortsetzung unsozialer rot-grüner Rentenpolitik sei.

Geregelt wird in diesem Gesetz die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors in die Renten-Berechnungsformel. Der Faktor gewichtet in jedem Jahr neu das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern und soll dafür sorgen, dass die Beitrag zahlende Bevölkerung auch in Zukunft nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird, um das Rentenniveau hoch zu halten. Konkretes Beitragsziel im Gesetz: maximal 22 Prozent in 2030. Bei mittlerem Wirtschaftswachstum, haben die Rentenversicherer errechnet, würde das einem Bruttorentenniveau von 43 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens entsprechen, heute liegt der Wert bei 53 Prozent. 2020, so wird es im Gesetz stehen, wird das Niveau bei 46 Prozent liegen. Allerdings nur rein mathematisch, denn wer hat bei Renteneintritt schon 45 Beitragsjahre mit mittlerem Einkommen hinter sich und darf sich daher als „Eckrentner“ bezeichnen?

Genau um diese Differenz von 46 zu 43 Prozent geht es den Kritikern. Allen voran dem Gewerkschaftsbund DGB, dessen Vize-Chefin Ursula Engelen-Kefer am Dienstag behauptete, dass man nur bei einem Mindestniveau von 46 Prozent von einer Sicherheit der Rente sprechen könne. Hätte Ulla Schmidt diese Zahl als Mindestniveau allerdings auch für das Jahr 2030 ins Gesetz geschrieben, wäre der Beitrag automatisch auf 23,6 Prozent gestiegen. Oder der Bundeshaushalt hätte 16 Milliarden Euro in die Rentenkasse überweisen müssen. Oder das Renteneinstiegsalter wäre auf 70 Jahre hochgeschnellt.

Doch die Ministerin hat all das nicht getan. In den Gesetzentwurf wird sie das Versprechen aufnehmen, dass 2008 ein Prüfauftrag ergeht, der untersucht, ob das Rentenniveau 2030 unter 46 Prozent rutschen wird, und dass die Regierung in diesem Fall Gegenmaßnahmen zu ergreifen hat. Den linken Kritikern der SPD hat das offenbar nicht ganz genügt. In der Fraktionssitzung stimmten mindestens vier Abgeordnete dagegen, sieben enthielten sich. Am Donnerstag im Bundestag wollen trotzdem alle zustimmen – sagte zumindest Fraktionschef Franz Müntefering.

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