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Politik: Mitgefangen

BGH: Zu enge Zelle kein Grund für Schadenersatz

Karlsruhe/Berlin - Die menschenunwürdige Unterbringung Strafgefangener verpflichtet den Staat nicht automatisch zum Schadenersatz. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe entschieden. Er wies damit die Revision des heute 27 Jahre alten Andreas Hinderberger zurück, der zwei Tage in einer 16 Quadratmeter großen Zelle zusammen mit vier weiteren Gefangenen verbringen musste. Die gemeinsame Toilette war nur durch einen Sichtschutz abgetrennt.

Die Richter urteilten, dies sei zwar rechtswidrig gewesen, der Eingriff habe aber nicht eine solche Tragweite, dass er mit Geld ausgeglichen werden müsse. Dies entspreche auch der Linie der Europäischen Menschenrechtskonvention, die hier ein „Mindestmaß an Schwere“ erfordere. Eine BGH-Sprecher nannte das Urteil einen „Warnsignal“ an die Länder. In härteren Fällen müsse der Staat zahlen. Derzeit gibt es in Deutschland knapp 63 000 Strafgefangene. Die meisten Gefängnisse sind überbelegt. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind teilweise bis zu 80 Prozent in Gemeinschaftszellen untergebracht.

Hinderberger war ein so genannter Durchgangsgefangener in der Justizvollzugsanstalt Hannover. Im Juli 2002 kam er in die Gemeinschaftszelle, die mit einem Etagenbett, drei Einzelbetten, Stühlen, Spinden und zwei Tischen ausgestattet war. Wenn ein Inhaftierter seine Notdurft verrichtete, bekamen das die Zellengenossen mit. Ausgang hatten sie nur für eine Stunde. Der Kläger, der nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will, habe sich „unter aller Wutz“ gefühlt.

Strafgefangene haben einen gesetzlichen Anspruch auf Einzelzellen. Ausnahmen sind nur erlaubt, sofern ein Gefangener hilfsbedürftig, krank oder etwa selbstmordgefährdet ist. Die Räume sind zudem „wohnlich“ einzurichten und müssten für eine „gesunde Lebensführung“ ausreichend beheizt und gelüftet sein.

Allerdings gibt es seit Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes 1977 eine Sonderregelung für alle damals schon bestehenden Justizvollzugsanstalten. Bis zu acht Personen dürfen danach gemeinsam untergebracht werden, wenn „die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern“. Allein in der Berliner JVA Tegel, die für 1571 Haftplätze ausgelegt und schon über 100 Jahre alt ist, leben mehr als 1700 Gefangene. Rund die Hälfte aller deutschen Häftlinge verfügt deshalb über keine eigene Zelle. Viele wollen es jedoch auch nicht – aus Geselligkeit.

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