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Politik: Mitmachen oder abwarten

Die Union ist uneins: Einige wollen selbst Reformen vorschlagen, andere möchten Schröder die Grausamkeiten aussprechen lassen

Von Robert Birnbaum

Eigentlich, knurrt einer der Teilnehmer schon im Vorfeld, sei das Treffen ja inzwischen ziemlich überfrachtet. Eigentlich wollte sich die Unionsspitze nur zum strategischen Kamingespräch nach den Landtagswahlen zusammensetzen. Und eigentlich sollte aus der Abendrunde in der hessischen Landesvertretung in Berlin auch, im Wort- wie im übertragenen Sinne, nichts herauskommen. Aber weil die CDU in Hessen und Niedersachsen alles gewonnen hat, was zu gewinnen war, ist alles anders. Seit dem Doppel-Triumph sieht sich die Union in die Pflicht genommen. „Jetzt sagen die Leute: Der Wahlkampf ist zu Ende; jetzt müsst ihr auch was ändern“, räumt ein führender Unionspolitiker ein.

Tatsächlich geht es bei dem Treffen um eine strategische Grundentscheidung. Zwei Schulen stehen sich in der Union gegenüber. Die eine verkörpert Fraktionsvize Friedrich Merz. Der drängt darauf, dass sich CDU und CSU von ihrem vagen Bundestagswahlprogramm verabschieden und offen sagen müssten, dass die Gesundung Deutschlands Züge einer Rosskur tragen werde.

Ein Kurs, der am Donnerstag Unterstützung aus dem Südwesten erhielt. Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel (CDU) preschte weit vor. Mit dem Klein-Klein sei es nun vorbei, es helfe nur radikale Reform auf allen wirtschaftspolitischen Gebieten. Es folgte eine Liste denkbarer Grausamkeiten: Von befristeter Aufhebung des Kündigungsschutzes für Existenzgründer bis zum zehnprozentigen Subventionsabbau nach der Rasenmähermethode.

Andere in der Union lesen solche Worte und solche Listen gar nicht gern. Die Union dürfe sich, warnt etwa CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, nicht in einen „Wettlauf der Grausamkeiten“ jagen lassen. Dahinter steht ein Kurs, den CSU-Chef Edmund Stoiber ebenso wie CDU-Chefin Angela Merkel, aber auch die Wahlsieger Roland Koch und Christian Wulff im Kern befürworten: Die Union erklärt sich zwar bereit, sich mit der Regierung auf begrenzte Kooperation bei Gesetzgebungsprojekten einzulassen. Aber die Unionsführung will mit eigenen Vorschlägen möglichst lange hinter dem Berg halten. Erst soll die Regierung Gesetze vorlegen – dann kann man darüber reden, und zwar im Parlament, nicht in Kungelrunden.

Dahinter steckt ein doppeltes strategisches Kalkül: Dieses Vorgehen würde den Kanzler in Schwierigkeiten bringen, weil er einen Reformkurs zunächst in den eigenen Reihen durchsetzen und die unvermeidlichen „Grausamkeiten“ als Erster aussprechen müsste . Zugleich blieben die internen Differenzen der Union unter der Decke.

Theoretisch eine schlaue Taktik, praktisch aber nicht einfach durchzuhalten. Die Probe aufs Exempel kommt schon. Dass die Union die Steuergesetze von Hans Eichel ablehnen will, ist Konsens. Aber die Länder kostet das allein 2003 bis zu drei Milliarden Euro. Mehrere CDU-Länderfürsten haben durchblicken lassen, dass ihre Landeskassen ihnen nur begrenzte Prinzipientreue erlauben. Stoiber will deshalb am Donnerstagabend die alte Idee des Nationalen Stabilitätspakts neu beleben: Mit einer Sparliste, die am Ende gemeinsam mit den SPD-Ländern umgesetzt werden soll, sollen die Ausfälle ausgeglichen werden. Auch das theoretisch schlau, doch die Idee hat einen Nachteil: Wieder wäre es die Union, die zuerst von Einschnitten redet.

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