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Abgewandt. Was wussten NPD-Mitglieder von den mörderischen Aktivitäten der Jenaer Terrorzelle? Ermittler aus Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft vermuten engere Kontakte, als zunächst angenommen.

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Update

Mögliche Verbindung zur Terrorzelle: Minister beraten über NPD-Verbot

Sollte sich der Verdacht einer Verbindung zwischen der NPD und der rechtsextremistischen Zwickauer Terrorzelle bestätigen, könnte der Weg für ein neues Verbotsverfahren frei sein.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU), sieht gute Chancen für ein Verbot der NPD. Sollten sich die Anzeichen dafür verdichten, dass die Partei direkte Kontakte zur Zwickauer Terrorzelle unterhalten hat, verändere das die Sachlage erheblich, sagte Stahlknecht am Donnerstag beim Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum NPD-Verbotsverfahren in Magdeburg. „Wenn sich eine Partei zur Umsetzung ihrer politischen Ziele unmittelbar oder mittelbar des Terrors bedient, haben wir eine andere Qualität.“ Zugleich warnte der CDU-Politiker vor einem überstürzten Verbotsverfahren: Zwar sei angesichts der neuen Enthüllungen über rechtsterroristische Strukturen in Deutschland eine Situation entstanden, die schnelles Handeln erfordere. „Es wäre jedoch verheerend, wenn der Antrag ein zweites Mal vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern sollte.“ Das würde möglicherweise die NPD stärken.

Das Gremium, in dem Referatsleiter und Referenten aller Bundesländer und des Bundesinnenministeriums vertreten sind, soll klären, ob ein neuer NPD-Verbotsantrag Erfolg haben könnte. Stahlknecht hatte die Arbeitsgruppe bereits im Frühjahr initiiert. In den vergangenen Wochen hat die Frage eines möglichen Verbots an Bedeutung und Dringlichkeit gewonnen. Wann mit ersten Ergebnissen zu rechnen sei, wollte Stahlknecht dennoch nicht sagen. Am Mittwochabend war die Expertengruppe zum ersten Mal zusammengekommen. Politische Entscheidungen, in ein neues Verbotsverfahren einzusteigen, würden aber nicht in der Arbeitsgruppe getroffen, betonte der Vorsitzende. Ende kommender Woche wollen die Innenminister bei ihrer Konferenz in Wiesbaden über ein Verbotsverfahren beraten. Spätestens dann muss die Arbeitsgruppe ihre Einschätzung vorlegen.


Bei einer Pressekonferenz über den Stand der Ermittlungen hatten Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) am Donnerstag in Karlsruhe erklärt, dass inzwischen von weiteren Verbindungen der NPD zu der rechtsextremistischen Terrorzelle ausgegangen werde. Am Dienstag war in Jena der frühere NPD-Funktionär Ralf W. festgenommen worden, der den Terroristen eine Waffe und Munition beschafft haben soll.
Trotzdem hob Generalbundesanwalt Harald Range hervor: „Wir ermitteln nicht gegen die NPD, sondern gegen Personen, die der NPD nahestehen.“ Unklar blieb, ob dies auch auf einen Verdächtigen zutrifft, der den Terroristen seine Ausweispapiere zur Verfügung gestellt haben soll. Bisher gibt der Mann, der in Untersuchungshaft sitzt, an, er habe seine Ausweise verloren.

Noch keine Ermittlungen gegen die NPD

Seit Donnerstag sucht die Polizei mit Fotos von den drei Hauptverdächtigen und dem Tatfahrzeug nach Zeugen. Die mutmaßlichen Mitglieder der Vereinigung „National Sozialistischer Untergrund“ waren seit 1998 untergetaucht. Nach Erkenntnissen der Polizei hielten sie sich häufig auf Campingplätzen auf, bewegten sich mit gemieteten Autos, Wohnwagen und Fahrrädern, die sie auch für die Vorbereitung ihrer Straftaten nutzten. Insbesondere von Fahrzeugvermietern erhoffe sich die Polizei deswegen neue Anhaltspunkte über die Wege und Kontakte der Terroristen, sagte BKA-Präsident Ziercke. Zehn Morde wurden der Jenaer Zelle bisher zugeordnet. Man halte es aber für gut möglich, dass die drei Terroristen noch weitere Straftaten verübt haben. Bislang seien 240 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, sagte Range.

Bereits am Mittwoch hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gesagt, dass Beziehungen zwischen Terroristen und der NPD ein wichtiges Argument für ein neues Verbotsverfahren darstellten. Am Donnerstag sprach sich auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für ein Verbot aus. „Der Rechtsstaat ist verpflichtet, alle menschenmöglichen Konsequenzen aus der Terrorserie zu ziehen. Dazu gehört ein NPD-Verbot“, sagte Seehofer in München.

2003 hatte das Bundesverfassungsgericht ein erstes NPD-Verbotsverfahren gestoppt, weil der Verfassungsschutz hochrangige NPD-Funktionäre als V-Leute geführt hatte. Beweismaterialien hatten dadurch nach Ansicht der Richter ihre Aussagekraft verloren.

Zum wiederholten Mal wies Generalanwalt Range am Donnerstag Spekulationen zurück, dass der Verfassungsschutz Kontakte zur Terrorzelle unterhalten habe. „Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.“ Keine Angaben wollte der BKA-Präsident dazu machen, ob die Hauptverdächtige Beate Zschäpe oder die drei anderen mutmaßlichen Unterstützer bereits ausgesagt haben. Die Frage nach einer Kronzeugenregelung für Zschäpe, die ihr eine Strafmilderung bringen könnte, stelle sich derzeit aber nicht.

Das Bundeskriminalamt bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorzelle.
Das Bundeskriminalamt bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorzelle.

© dpa

Unterdessen traf der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Donnerstag in Hamburg mit Angehörigen eines türkischen Gemüsehändlers zusammen, der 2001 von der Terrorzelle ermordet worden war. Dabei sagte der Minister der Familie seine Unterstützung zu.

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