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Mehr als zwölf Stunden haben US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in Genf über eine Waffenruhe in Syrien verhandelt.

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Mögliche Waffenruhe in Syrien: "Der Weg zum Frieden ist noch weit“

Die USA und Russland sind sich einig: Es braucht in Syrien rasch eine Waffenruhe. Doch über den Weg dorthin wird weiterhin gestritten.

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Die Gespräche waren so langwierig wie mühsam. Mehr als zwölf Stunden haben US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in Genf verhandelt. Doch am Ende herrschte Einigkeit: Es gebe grundsätzlich Klarheit über den Weg Richtung Frieden. Sowohl Washington als auch Russland wollten sich für ein baldiges Ende des Konflikts in Syrien starkmachen. Zunächst geht es allerdings darum, eine Waffenruhe durchzusetzen, die diesen Namen verdient.

Schon dies wäre ein riesiger diplomatischer Erfolg – und ein Hoffnungsschimmer für die kriegsgeplagten, notleidenden Menschen. Mehr aber sicherlich auch nicht. Im Bürgerkriegsland wurde in den vergangenen fünfeinhalb Jahren bereits mehrfach ein zumindest vorübergehendes Ende der Gewalt in Aussicht gestellt. Und immer wieder scheiterten die Versuche nach wenigen Tagen, wenn nicht nach Stunden. Erst im Februar hatten sich Washington und Moskau auf eine Feuerpause verständigt. Die Kämpfe flauten zunächst deutlich ab – um nach kurzer Zeit wieder aufzuflammen. In den vergangenen Monaten stieg die Zahl der Verletzten und Toten dramatisch an.

Die Eigendynamik des Krieges nicht vergessen

Auch die jüngste Einigung in Genf gibt nur bedingt Anlass zu Optimismus. Denn in diplomatischen Kreisen heißt es, trotz der intensiven Gespräche sei „lediglich ein kleiner gemeinsamer Nenner bestätigt worden“. Detailfragen sollen Experten beider Regierungen klären. Das kann erfahrungsgemäß dauern. Beim gegenseitigen Vertrauen scheint es zwischen den USA und Russland ebenfalls zu hapern. „Wir haben unsere Bemühungen fortgesetzt, die Gebiete zu reduzieren, bei denen es noch an gegenseitigem Verständnis fehlt“, sagte Lawrow. Dies sei ein Fortschritt. Zurückhaltend gab sich auch Kerry: „Wir wollen keine Vereinbarung, die nicht durchsetzbar wäre.“

Das sieht man in Deutschland ähnlich. „Die intensiven Gespräche zwischen Russland und den USA sind zweifellos wichtig und könnten eine neue Chance für Genf sein“, sagte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich dem Tagesspiegel. Er warnt aber davor, „die Eigendynamik in einem fünfjährigen Bürgerkrieg und die Interessen regionaler Mächte wie Saudi-Arabien und Iran“ nicht zu vergessen. Außerdem erschwere der Einmarsch türkischer Truppen in Syrien, der vor allem dem Zurückdrängen kurdischer Kampfverbände diene, eine Friedenslösung. „Ohne die unmittelbare Teilnahme kurdischer Vertreter in Genf wird es keine einvernehmliche Ordnung für Syrien geben.“

Und der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, betont: „Die letzte Einigung scheiterte daran, dass Russland alle Gegner Assads pauschal als Terroristen deklarierte und von der Waffenruhe ausnahm. Bleibt das so, hat Kerry leider nicht viel erreicht.“ Etwas positiver bewertet Jürgen Hardt die Gespräche. „Die neue Verständigung zwischen den beiden Außenministern von Russland und den USA ist eine große Chance für Syrien“, sagt der Außenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Doch der Weg zum Frieden ist noch weit.“

Sehnen nach Waffenruhe

Die verheerende Schlacht um Aleppo zeigt denn auch, wie schwer sich Washington und Moskau tun, eine gemeinsame Basis für eine Waffenruhe zu finden. Ungeachtet aller eindringlichen Appelle von Hilfsorganisationen und der UN konnte Kerry seinen russischen Kollegen nicht dazu bewegen, die Luftangriffe auf Zivilisten und Aufständische zu stoppen. Lawrow sagte dazu: „Wir reden nicht davon, dass jemand nicht mehr fliegt. Wir reden darüber, dass die Luftwaffe, die am syrischen Himmel aktiv ist, effektiv die islamistischen Terrororganisationen IS und Al Nusra bekämpft.“

Beide Extremistengruppen sind mit Zustimmung der USA von der Februar-Feuerpause ausgeschlossen. Nach Augenzeugenberichten bombardiert Assad jedoch mit Unterstützung russischer Kampfjets gezielt auch Stellungen gemäßigter Rebellen. Lawrow fasst Moskaus Lesart der Lage in Aleppo so zusammen: „Ohne eine Abgrenzung zwischen normalen, gesunden Oppositionskräften und Terroristen sehe ich keine Möglichkeit, eine dauerhafte und vollgültige Einstellung der Kampfhandlungen zu erreichen.“ Für die Bewohner Aleppos und anderer syrischer Orte heißt das nichts Gutes. Sie werden wohl weiter hungern, dursten und sterben. Und eine Waffenruhe herbeisehnen.

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