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Politik: Mohammed VI schließt Frieden mit Aufständischen und zeigt sich als Reformer

Als Marokkos Kronprinz Sidi Mohammed nach dem unerwarteten Tod seines Vaters Hassan II. Ende Juli den Thron bestieg, galt der 36-Jährige mit den jungenhaften Gesichtszügen bei vielen als ein unerfahrener und farbloser Herrscher.

Als Marokkos Kronprinz Sidi Mohammed nach dem unerwarteten Tod seines Vaters Hassan II. Ende Juli den Thron bestieg, galt der 36-Jährige mit den jungenhaften Gesichtszügen bei vielen als ein unerfahrener und farbloser Herrscher. Aber Mohammed VI., wie der junge König jetzt heißt, hat seine Kritiker überrascht. Von der Schwäche und der Schüchternheit, die man ihm nachgesagt hatte, kann keine Rede sein.

Am Sonnabend sind es 100 Tage her, dass Mohammed VI. den Thron bestieg. In dieser Zeit packte er Dinge an, an die sich Hassan in den 38 Jahren seiner Herrschaft nicht herangetraut hatte. Mit einer Rundreise durch das Rif-Gebirge im Norden des Landes brach Mohammed mit einem Tabu. Sein Vater hatte diese Gegend in seiner Amtszeit nie betreten. Hassan hatte Ende der 50er Jahre - noch als Kronprinz - Volksaufstände im Rif brutal niederschlagen lassen. Seither mied er die Region.

Mohammed schloss nun Frieden mit den Bewohnern. Er fuhr in einer offenen Limousine durch die Straßen, mischte sich unter die Menge und half Leuten am Straßenrand auf die Beine, die im Gedränge ohnmächtig geworden waren. Die Bevölkerung des Rif, die sich vom Königshaus bisher vernachlässigt gefühlt hatte, jubelte dem Herrscher begeistert zu.

Der König erlaubte dem langjährigen Widersacher seines Vaters, dem fast schon legendären Oppositionellen Abraham Serfaty, die Heimkehr nach Marokko. Der heute 73-jährige Kommunist hatte 17 Jahre in politischer Gefangenschaft und acht Jahre im Exil in Frankreich verbracht. Auch die Familie des 1965 in Frankreich unter mysteriösen Umständen verschwundenen Regimegegners Mehdi Ben Barka erhielt die Erlaubnis zur Heimkehr.

Mit dem neuen König kehrte ein neuer Stil in den Palast von Rabat ein. Mohammed VI. ging auf Distanz zum Prunk seiner Vorgänger. Er verurteilte die chronische Trägheit der Bürokratie. Man munkelt gar, der Monarch steuere zuweilen selbst sein Auto durch die Stadt und halte sogar an roten Ampeln. Als erster König in Marokko legte er sich einen Pressesprecher zu.

Mohammed sucht die Nähe zur Bevölkerung. Manche gaben ihm den Beinamen "König der Armen". Schon als Kronprinz hatte er sich aufgeschlossen gezeigt für soziale Probleme. In einer seiner ersten Ansprachen kündigte er die Schaffung eines Fonds zur Unterstützung von arbeitslosen Jugendlichen an. Vor dem Parlament trat er für eine klare Trennung der Gewalten ein. Dies liefe, wenn es verwirklicht würde, auf eine Schmälerung seiner eigenen Machtbefugnisse heraus. Denn nach dem bisherigen System hat der König entscheidenden Einfluss auf die drei Gewalten der Gesetzgebung, der Justiz und der Regierung.

Marokko hat seit langem ein Mehrparteiensystem. Aber die Position des Parlaments und der Regierung ist relativ schwach. Der wichtigste Machtfaktor ist der so genannte "Makhzen". Dies ist der halbfeudale Herrschaftsapparat, in dem neben dem Königshaus auch die Provinzfürsten, Militärs und Großunternehmer eine Rolle spielen. Eine der wichtigsten Figuren in diesem Machtapparat ist Innenminister Dris Basri, der als enger Vertrauter von König Hassan bislang als zweitmächtigster Mann im Staate gegolten hatte.

Basri blieb auch unter dem neuen König im Amt. Aber sein Einfluss wurde eingeschränkt. Mohammed VI. setzte hohe Sicherheitsbeamte ab, die dem Minister nahe standen. Zudem nahm er in der Westsahara-Frage, bisher eine Domäne Basris, das Heft stärker selbst in die Hand.

Hubert Kahl

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