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Sollen Pflanzen wie Mais gentechnisch verändert werden oder nicht? Der Kauf des Unternehmens Monsanto durch die Bayer AG hat den Streit über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel wieder heftig aufflammen lassen.

© Patrik Stollarz/AFP

Monsanto-Übernahme durch Bayer: Lässt sich mit Gentechnik der Welthunger stillen?

Bayer kauft Monsanto - diese Nachricht hat den Streit über den Anbau von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln wieder deutlich verschärft. Ein Pro und Contra.

Monsanto ist auf dem richtigen Weg: Gentechnisch veränderte Pflanzen helfen, die Ernährung sicherzustellen. Auf diesen Nenner bringt Hartmut Wewetzer das Thema.

PRO

Wer diese Fusion beschlossen hat, braucht für den Hass nicht zu sorgen. Die Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto durch Bayer hat erwartungsgemäß eine Welle der Empörung ausgelöst. Das sei eine „Hochzeit in der Hölle“, Monsanto sei „das bösartigste Unternehmen“ überhaupt, es verübe einen „Ökozid“, die Fusion werde den Welthunger vergrößern, lauten einige Äußerungen.

Im Zentrum der Kritik an Monsanto steht die Gentechnik, für die die Firma auf dem Acker der Hauptanbieter ist. Ohne sie würde kaum jemand von dem Unternehmen Notiz nehmen. Wen interessieren schon Saatgut und Sorten? Erst eine dämonische Technik macht aus harmlosem Korn eine teuflische Gefahr und erzeugt die gewünschte Entrüstung.

Im Internet kursieren die wildesten Gerüchte über die grüne Pflanzen-Gentechnik. Zu den besonders schockierenden gehört die Behauptung, dass Tausende von indischen Baumwollfarmern durch den Kauf genetisch veränderter Baumwolle von Monsanto & Co. in den Suizid getrieben wurden. Als Wissenschaftler dem nachgingen, stellte sich heraus, dass von erhöhten Suizidraten unter den indischen Bauern nicht die Rede sein konnte. Die Rate war sogar niedriger als bei den Nachbarn, die keine Landwirte waren. Und ein bedeutsamer Anstieg an Suiziden nach 2002, als die neuartige Baumwolle eingeführt wurde, war auch nicht festzustellen.

Andere Gerüchte besagen, dass Gentechnik die Bauern verarmen lässt, dass die Ernten zurückgehen und dass sie mehr Pestizide auf den Äckern zur Folge habe. Vor Kurzem haben die Göttinger Agrarökonomen Wilhelm Klümper und Matin Qaim zu diesen Fragen im Fachblatt „Plos One“ eine umfassende Auswertung vorgelegt. Danach verringerte die grüne Gentechnik den Einsatz von Pestiziden um 37 Prozent, steigerte die Ernteerträge um 22 Prozent und erhöhte den Gewinn der Landwirte um 68 Prozent. Das sind natürlich weltweite Durchschnittswerte, die regional stark schwanken. Aber die Tendenz ist klar.

Für Gesundheitsschäden durch gentechnisch veränderte Pflanzen, etwa Allergien, gibt es keine Belege. Gentechnisch veränderte Maiskörner oder Sojabohnen sind so gesund oder ungesund wie herkömmliche Züchtungen. Denn die gentechnischen Veränderungen bei den auf dem Markt befindlichen Sorten sind so geringfügig, dass sie für den Menschen nicht ins Gewicht fallen.

Zu den Opfern der Anti-Gentechnik-Kampagne zählt der „goldene Reis“. Er ist eine Züchtung deutscher Biologen, die reich an Vitamin A ist – daher die goldgelbe Farbe –, und soll den für Kinder gefährlichen Vitaminmangel in Asien und Afrika lindern. Greenpeace und andere Organisationen behinderten die Entwicklung drastisch.

Es stimmt, dass auch gegen Gentechnik-Pflanzen Resistenzen bei Schädlingen auftreten. Das ist ein natürliches Phänomen, und die Biotechnik erzeugt keine Superorganismen. Im Gegenteil, es wäre geradezu verdächtig, wenn es keine Resistenzbildung geben würde.

Resistenz gegen Gentechnik gibt es auch in der Öffentlichkeit, besonders in Deutschland. Zwar ist man stolz darauf, eine „Wissensgesellschaft“ zu sein. Heerscharen von Ingenieuren basteln an besseren und umweltverträglicheren Autos, im Zeichen des Klimawandels wird die Energieversorgung umgekrempelt und Tausende von Forschern ergründen bis in molekulare Verästelungen die Ursachen von Krankheiten und entwerfen neue Therapien. Hightech allerorten – nur nicht in der Landwirtschaft? Ausgerechnet bei diesem existenziellen Thema träumt der Deutsche von einem Zurück zur Natur, von Verzicht auf Erkenntnis, Wissenschaft und Technik. Doch angesichts von Klimawandel und Bevölkerungswachstum brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Wissen.

Die deutschen Gesetze haben zu einem De-facto-Verbot der grünen Gentechnik geführt. Das ist einer Wissensgesellschaft unwürdig. Die Überregulierung bedroht zudem kleine und innovative Unternehmen und drängt sie an den Rand. Giganten wie Monsanto können auch Berge von Bürokratie überwinden.

Gentechnik ist kein Teufelswerk, sondern ein Instrument, nicht mehr und nicht weniger. Sie erleichtert und beschleunigt die Pflanzenzüchtung, wobei die Methoden immer subtiler werden. „Crispr“ ist das Paradebeispiel, ein neues Verfahren, das gezielte Eingriffe in die Erbinformation von Pflanzen mit chirurgischer Präzision ermöglicht. „Crispr“-Pflanzen sind von herkömmlichen nicht mehr zu unterscheiden. Ein Problem für die deutsche Verbotskultur.

Um den wachsenden Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung zu stillen, genügen weder „Crispr“-Technik noch gentechnisch veränderte Pflanzen. So einfach ist es nicht. Aber sie sind ein Teil der Lösung. Pflanzenzüchtung, mit Biotechnik oder ohne, ist von extremer Bedeutung. Das beweist ein Blick auf die grüne Revolution vor gut einem halben Jahrhundert, als neue Sorten und verbesserter Pflanzenschutz die Ernten verdoppelten und viele Millionen vor dem Hungertod bewahrten. Länder wie China und Indien haben das erkannt. Sie investieren in die Pflanzenforschung. Pragmatismus, nicht Ideologie, ist entscheidend. Und, so ganz nebenbei, bekommt Monsanto auch noch Konkurrenz.

Mit der Marktmacht steigt das Risiko

Gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel gibt es immer wieder Proteste. Hier eine Demonstration vor der Unternehmenszentrale von Monsanto für Europa, Afrika und den Nahen Osten im schweizerischen Morges im Mai dieses Jahres.
Gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel gibt es immer wieder Proteste. Hier eine Demonstration vor der Unternehmenszentrale von Monsanto für Europa, Afrika und den Nahen Osten im schweizerischen Morges im Mai dieses Jahres.

© Jean-Christophe Bott/dpa

Die Industrialisierung der Landwirtschaft hat große Schäden an der Umwelt hinterlassen. Mit Bayer/Monsanto geht dieser unselige Trend weiter, meint Dagmar Dehmer in ihrem Contra.

CONTRA

Eines könnte die Welt doch aus der Finanzkrise gelernt haben, findet Alexander Müller: Mit der Größe der Konzerne und ihrer Marktmacht steigt das Risiko. Der ehemalige Staatssekretär der damaligen Agrarministerin Renate Künast (Grüne) ging nach der rot-grünen Regierungszeit zur Weltagrarorganisation FAO nach Rom. Heute gehört er zu den Organisatoren der „Global Soil Week“ und mischt sich weiter in die Diskussionen über Agrarpolitik ein. Mit der Fusion von Bayer und Monsanto sowie zwei weiteren Großfusionen im Agrargeschäft – Syngenta und Chem China sowie Dupont und Dow – werde die „Welternährung in die Hände eines Oligopols gelegt“, kritisiert er. „Wie kann man das zulassen“, fragt Müller. Für das Risikomanagement im Welternährungssystem seien die drei Großkonzerne jedenfalls keine Hilfe. Die großen Drei werden künftig etwa drei Viertel des Saatgutmarktes beherrschen und bei den Ackergiften dürfte der Marktanteil sogar noch höher sein.

Dass gentechnisch veränderte Pflanzen zur Welternährung beitragen, ja sogar die durch den Klimawandel verschärften Probleme „lösen“ könnten, ist seit Jahren das Hauptargument von Monsanto für deren Einsatz. Allerdings hat der Konzern bisher nur zwei Arten von gentechnisch veränderten Pflanzen hervorgebracht: Soja und Mais, die unempfindlich gegen das ebenfalls von Monsanto hergestellte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat sind, und Mais, Baumwolle und andere Pflanzen, denen ein Gen eingeschleust wurde, das Insekten abwehrt, also Bt-Mais oder Bt-Baumwolle.

Seit Jahren spricht Monsanto davon, dass salz- und trockenresistente Pflanzen kurz vor ihrem kommerziellen Durchbruch stünden. Bei einem Besuch in den Forschungslaboren von Monsanto im Jahr 1998 zeigten die Agraringenieure einer deutschen Journalistengruppe stolz Pflanzen, die mit minimalem Wassereinsatz und selbst auf versalzten Böden wachsen sollen. Bis heute werden sie nirgendwo angepflanzt. Es ist immer beim Versprechen geblieben. Mais und Soja wiederum dienen vor allem als Viehfutter. Die Landwirtschaft mit ihrem hohen Kunstdüngereinsatz, der zur Lachgasbildung beiträgt, und dem hohen Tierbesatz trägt mit rund 15 Prozent zum Treibhausgasausstoß bei.

Was gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Äckern der Welt anrichten, ist umstritten. Vor allem über die Frage, ob Gentech-Pflanzen negative Gesundheitswirkungen haben können, gibt es in der Wissenschaft keine Einigkeit. Klar ist aber, dass der Einsatz von Bt-Baumwolle nach einer kurzen Phase, in der weniger Insektizide eingesetzt wurden, nach wenigen Jahren bereits zu einem massiven Mehreinsatz von Insektiziden geführt hat. In Indien, wo Bt-Baumwolle im großen Stil angebaut wird, haben die hauptsächlichen Schädlinge – der Baumwollkapselbohrer – schnell Resistenzen gegen das Insektengift Bt entwickelt.

Baumwolle wächst weltweit nur auf 2,5 Prozent der Ackerfläche, aber 25 Prozent der weltweit eingesetzten Pestizide werden auf die Baumwollfelder gekippt. Auch Herbizide kommen auf den Baumwolläckern oft zum Einsatz. Der hohe Einsatz von Agrargiften führt dazu, dass keine anderen Pflanzen mehr am Ackerrand wachsen, die Insektizide töten auch für die Landwirtschaft nützliche Insekten wie beispielsweise Bienen, und das gesamte Leben auf und neben den Äckern verarmt komplett. Die industrielle Landwirtschaft setzt der globalen Artenvielfalt noch stärker zu als der Klimawandel, haben mehrere aktuelle Studien gerade erst wieder gezeigt. In den Städten ist die Artenvielfalt inzwischen oft höher als in den Agrarlandschaften auf dem Land. Auch in Berlin und Brandenburg lässt sich das beobachten. Der Einsatz von Gentech-Pflanzen ist die Fortsetzung der Industrialisierung der Landwirtschaft, die große Umweltschäden hinterlassen hat und weiter hinterlässt.

In den 1960er Jahren hat die sogenannte grüne Revolution vor allem in Asien die Ernten vervielfacht. Mit dem massenhaften Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden gelang es zunächst, die Ernten zu vergrößern – und viele Bauern aus der Armut zu holen. Allerdings nahm die grüne Revolution wenig Rücksicht auf die wichtigsten landwirtschaftlichen Betriebsmittel: Wasser und Böden.

Der Vater der grünen Revolution in Indien, der Landwirtschaftsprofessor Mankombu Sambasivan Swaminathan, warnte schon 1968, dass eine „intensivierte Kultivierung ohne eine Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und der Bodenstruktur unweigerlich zur Wüstenbildung“ führen werde. Der heute 90-Jährige sollte Recht behalten. In Indien gelten inzwischen die meisten Ackerflächen als wasserarm und wenig fruchtbar. Bis aus einem ausgelaugten Boden wieder ein fruchtbarer Boden wird, vergehen Jahrzehnte intensiver Pflege. Und wenn die trockene Erde vom Wind weggeweht und gelegentlichen Starkregenereignissen weggespült wird, ist er verloren. Er ist nicht zurückzubringen. Swaminathan ist zwar nicht prinzipiell gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen. Der 90-Jährige plädierte sogar immer wieder dafür, in Indien bei Feldversuchen herauszufinden, was die Pflanzen denn bringen würden. Aber er sagt auch: Um sie zuzulassen, müssten sie den Menschen, der Ökologie und den Bauern tatsächlich nützen.

Der Vater der grünen Revolution in Indien, der Landwirtschaftsprofessor Mankombu Sambasivan Swaminathan, warnte schon 1968, dass eine „intensivierte Kultivierung ohne eine Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und der Bodenstruktur unweigerlich zur Wüstenbildung“ führen werde. Der heute 90-Jährige sollte Recht behalten. In Indien gelten inzwischen die meisten Ackerflächen als wasserarm und wenig fruchtbar. Bis aus einem ausgelaugten Boden wieder ein fruchtbarer Boden wird, vergehen Jahrzehnte intensiver Pflege. Und wenn die trockene Erde vom Wind weggeweht und gelegentlichen Starkregenereignissen weggespült wird, ist er verloren. Er ist nicht zurückzubringen. Swaminathan ist zwar nicht prinzipiell gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen. Der 90-Jährige plädierte sogar immer wieder dafür, in Indien bei Feldversuchen herauszufinden, was die Pflanzen denn bringen würden. Aber er sagt auch: Um sie zuzulassen, müssten sie den Menschen, der Ökologie und den Bauern tatsächlich nützen.

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