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Militärische Ehren. Kanzlerin Merkel und Italiens Regierungschef Monti betrachten im Hof des Kanzleramtes eine militärische Ehrenformation.

© AFP

Montis Antrittsbesuch: Merkel lobt Italiens neue Regierung für Sparkurs

Italiens Regierungschef Monti erläutert beim Treffen mit der Kanzlerin, warum sich seine Landsleute mit Reformen nicht leichttun.

Die Kanzlerin war deutlich bemüht, das Klischee von der „Zuchtmeisterin Europas“ zu entkräften, das seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit in Europas Krisenstaaten herumgeistert. Seit die Euro-Krise Deutschland in eine Führungsrolle bei der Bewältigung des grenzüberschreitenden Schulden-Schlamassels katapultiert hat, sieht sich Angela Merkel immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, sie würde Deutschlands Wirtschaftsmodell den übrigen Staaten in der Euro-Zone aufzwingen wollen. Zum Beweis des Gegenteils sagte Merkel am Mittwoch im Kanzleramt, dass auch Deutschland durchaus noch etwas von seinen EU-Partnern lernen könne. So gebe es hierzulande etwa eine „große Skepsis gegenüber neuen Technologien“, klagte die deutsche Regierungschefin. Neben ihr stand Italiens Ministerpräsident Mario Monti und sagte mit Blick auf die Ladenöffnungszeiten in seinem Lande: „Ich glaube, dass wir da weiter sind als Deutschland.“ Verkehrte Welt.

Merkel und Monti hatten beim Antrittsbesuch des italienischen Premiers in Berlin offenbar einigen Gesprächsbedarf – 40 Minuten länger als geplant dauerte die Unterredung der beiden. Nach dem Treffen lobte Merkel das Tempo, mit dem Monti in den vergangenen Wochen sein Programm zur Haushaltskonsolidierung vorangebracht hat.

Monti war vor allem die Botschaft wichtig, dass sein Land weiterhin an den Auswirkungen der Euro-Krise zu knacken hat. Die hohen Zinsen für italienische Anleihen seien „jetzt nicht legitim“, klagte der Regierungschef, der das Amt im November von seinem Vorgänger Silvio Berlusconi übernahm und seither ein weiteres Sparpaket mit einem Volumen von 33 Milliarden Euro durchs Parlament gebracht hat. Er habe seiner deutschen Amtskollegin einen Einblick in das Seelenleben der Italiener gegeben, erklärte Monti nach der Begegnung. Einerseits hätten seine Landsleute die Notwendigkeit der Reformen begriffen, erläuterte der Wirtschaftsprofessor. Aber andererseits müsse man auch wissen, dass die Sparmaßnahmen für die Italiener „teilweise sehr hart“ seien.

Monti konnte in Berlin durchaus selbstbewusst auftreten. Was die Konsolidierung des staatlichen Haushalts betrifft, so hat Italien unter der Expertenregierung Montis seine Hausaufgaben gemacht. Nebenbei hat sie auch das allzu teure Rentensystem dauerhaft reformiert – ein Werk, an das sich „politische“ Regierungen zuvor nicht getraut hatten.

Montis Herkulesaufgabe ist der Arbeitsmarkt.

Überhaupt hat sich die politische Kultur Italiens in den erst acht Wochen, in denen Monti regiert, massiv gewandelt: Das zuvor alles bestimmende Parteien-Hickhack ist abgeklungen, die Show der Diven zu Ende. Die gegensätzlichen Kräfte im Parlament arbeiten zusammen. Das geschieht zwar eher zähneknirschend, der Notlage wegen, aber es beschert der Regierung eine in Italien bisher unerreichte Mehrheit.

Die Bürger bekommen einstweilen nur die Lasten zu spüren. Steuern steigen; der Benzinpreis liegt bei knapp 1,80 Euro pro Liter, und die kleinen Beiträge, die Monti den Reichen und den Steuerhinterziehern abringen durfte, tragen noch nicht zu einem Gefühl sozialer Gerechtigkeit bei. Trotz aller Opfer aber, so besagen es die Umfragen, stützt immer noch eine Mehrheit der Bürger den so andersartigen, äußerlich eher grauen als fernsehtauglichen Regierungschef.

Dieser will in den maximal 15 Monaten, die ihm längstens bleiben, Italien noch weiter verändern. Noch in diesem Monat sollen Liberalisierungsmaßnahmen die Wirtschaft in Schwung bringen. Dagegen bringen sich bereits die Lobbygruppen in Stellung, die von Italiens stark verkrustetem System leben – Apotheker oder Taxifahrer, berufsständische Vereinigungen aller Art. Unter deren Druck drohen die Parlamentsabgeordneten, die ja noch dieselben sind wie unter Berlusconi, genauso weich zu werden wie früher auch immer.

Der größte Konflikt indes droht mit den Gewerkschaften. Monti mutet sich die Herkules-Aufgabe zu, den versteinerten Arbeitsmarkt wieder zu beleben und Italiens jungen Leuten eine Chance zu geben: Von diesen hat jeder Dritte keinen Job; dieser Umstand aber hat vor Monti keinen Politiker ernsthaft interessiert.

Gegen Montis Pläne machen inzwischen die Gewerkschaften mobil, allen voran die linke CGIL. Im Frühjahr könnte es zu großen politischen Streiks kommen. Dann wird sich zeigen, wie weit die politischen Parteien tatsächlich hinter Monti und der von ihnen selbst seit Jahrzehnten verschleppten Reform Italiens stehen. In diesem Frühjahr wird sich beider Schicksal entscheiden.

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