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Moratorium: AKW-Überprüfung bleibt umstritten

Wer soll in die Atomkraftwerke gehen, und wie soll die Sicherheit gecheckt werden? Eine Woche nach dem Moratorium kann die Regierung darauf keine Antworten liefern. Zudem sind viele Mängel bereits bekannt. Wirtschaftsminister Brüderle setzt weiter auf Atomkraft.

Die Bundesregierung gerät bei der geplanten Überprüfung der Atomkraftwerke angesichts vieler offener Fragen unter Druck. Es ist weiterhin unklar, wie die Fahrplan bis Mitte Juni aussehen soll und was überprüft wird - zumal viele Mängel der Regierung schon vor der AKW-Laufzeitverlängerung bekannt waren.

Man werde sich auf das zu konzentrieren, "was sich an neuen Fragestellungen aus Japan ergibt", sagte die Sprecherin von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Montag in Berlin. Sie nannte etwa die Notstromversorgung und die Kühlsysteme. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) warnte beim Treffen der EU-Energieminister in Brüssel vor übertriebenen Erwartungen an einen raschen Atomausstieg: "Ein sofortiges Abschalten geht nicht."

Die Betreiber der 17 Atomkraftwerke wollen während des Moratoriums der Bundesregierung fünf weitere Reaktoren für die Revision vom Netz nehmen, berichtet die Zeitung "Die Welt". Einschließlich des Pannenreaktors Krümmel, der abgeschaltet ist, werden nach den Plänen für die Revisionen Mitte Mai insgesamt 13 der 17 deutschen Atomkraftwerke übergangsweise nicht am Netz sein. Es ist unklar, ob dies Auswirkungen auf die Stromversorgung haben könnte. Die Regierung pocht trotz der Abschaltung von acht Meilern die Millionen-Zahlungen der Atomkonzerne für den Fonds zum Ausbau des Ökostroms.

Als wichtigstes Thema zur Kompensation der Atomkraft nannte Brüderle den Ausbau der Netze. Dieser müsse EU-weit forciert werden. "Wir brauchen einen europäischen Strommarkt, damit die erneuerbaren Energien möglichst effizient einbezogen werden", sagte Brüderle. "Es fehlen jetzt schon 3500 Kilometer Stromnetze in Deutschland." Wer schneller umschalten wolle, komme um einen Ausbau nicht herum. Brüderle legte Eckpunkte für ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz vor. Ein Bundesnetzplan soll den konkreten Bedarf erfassen und Schluss machen mit dem Flickenteppich beim Netzausbau.

Umwelthilfe: Prüfung überflüssig

Die Deutsche Umwelthilfe betonte, eine Überprüfung gerade der ältesten Atomkraftwerke sei überflüssig und in drei Monaten kaum zu schaffen. "Seit Jahren ist zum Beispiel klar, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind", sagte Bundesgeschäftsführer Rainer Baake in Berlin. Die Regierung hat noch nicht entschieden, ob die nun bis Mitte Juni für Sicherheits-Checks abgeschalteten Meiler danach wieder angefahren werden dürfen.

Seit dem 11. September 2001 seien Terrorattacken mit Flugzeugen auf AKW kein Restrisiko mehr, sagte Baake, der früher Staatssekretär im Umweltministerium gewesen ist. Er forderte, bei der Überprüfung der neueren Meiler das neue Kerntechnische Regelwerk umzusetzen, das Umweltminister Röttgen immer noch nicht in Kraft gesetzt habe. Dieses war von Röttgens Vorgängern Jürgen Trittin (Grüne) und Sigmar Gabriel (SPD) erarbeitet worden und sieht schärfere Anforderungen mit womöglich milliardenschweren Nachrüstungen vor.

Röttgens Sprecherin betonte, das Kerntechnische Regelwerk sei nicht die Grundlage für die nun anstehende Überprüfung und es werde ohnehin entsprechend der Geschehnisse im AKW Fukushima angepasst. Hennenhöfers Vorgänger als Reaktoraufseher, Wolfgang Renneberg, betonte: "In drei Monaten mit beschränkten Personalkapazitäten ist es unmöglich, eine Sicherheitsüberprüfung zu machen." Aber man könne die Zeit nutzen, um alle Informationen, die man kennt, zusammenzufassen. Er bezweifelte, ob die Reaktorsicherheitskommission als Röttgens Beratergremium das richtige Gremium für die Steuerung der Überprüfung ist, weil viele der 16 Mitglieder der Atomwirtschaft nahestehen.

Schon vor der Laufzeitverlängerung wusste die Regierung über Sicherheitsrisiken in den ältesten deutschen AKW Bescheid. Das geht aus Unterlagen des Bundesumweltministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Trotzdem verlängerte die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Laufzeiten der ältesten AKW um 8, die der nach 1980 ans Netz gegangenen Atomkraftwerke um 14 Jahre.

Experten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) kamen in dem Bericht zu dem Ergebnis: "Insbesondere in älteren Anlagen entsprechen einige sicherheitstechnisch wichtige Systeme nicht in allen Punkten dem Stand von Wissenschaft und Technik." Für einen raschen Atomausstieg ist nach Meinung des Bundesverbands Erneuerbare Energie ein Gesetzpaket zur Beschleunigung des Ökoenergie-Ausbaus notwendig. Auch ein Modernisierungsprogramm für Radaranlagen sei wichtig. Denn veraltete Radartechnik werde von der Bundeswehr immer wieder als Grund gegen den Bau moderner Winderäder angeführt. (dpa)

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