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Politik: Morgen ist schon da

Von Stephan-Andreas Casdorff

Und wieder ist die SPD an Hoffnung ärmer. Da wollte sie die CDU mit deren eigenen Mitteln schlagen, nördlich, östlich, protestantisch werden, wie es bei der Union mal hieß – vorbei. Matthias Platzeck wird in die lange, lange Parteigeschichte als der 147-Tage-Vorsitzende eingehen. Ruhmesblätter sehen anders aus. Kein Missverständnis, bitte: Seine Entscheidung verlangt Respekt. Wer krank ist, ist krank. Der Mensch geht vor, in jedem Amt. Was wäre die SPD für ein Verein, wenn sie das nicht akzeptierte. Aber sie sieht eben nicht gut aus dabei, die Partei, angestrengt, ausgezehrt, arm an Personal, das die Leute faszinieren könnte. Von einem Politikentwurf, für den sich eine neue Mehrheit begeistert, sowieso erst später zu reden.

Ja, Platzeck, „MP MP“, der Ministerpräsident und Parteichef. Es war, halten wir es ganz ehrlich fest, so ehrlich wie er, zu viel. Zu viel der Hoffnung, der Last, der Verantwortung für den Mann, der so sympathisch daherkommt wie lange kein Politiker mehr. Der Anti-Schröder, konsensual, kompromissbereit, kommunikativ, dabei nicht ohne eigene Meinung, aber durchaus mit Bedacht. Fast hätte die SPD die Langsamkeit wieder entdeckt, den Vorzug, eine Debatte erst mal zu führen anstatt sie vorab zusammenzufassen. Andererseits: Es ist eben verdammt schwierig, sich zu entscheiden, wenn das Wohl und Wehe eines großen Landes und das einer großen Partei daran hängt. Und nicht jeder kann einstecken wie Angela Merkel; deswegen ist sie Kanzlerin, nicht wegen ihrer Ideen.

Bleiben wird von Platzeck, dass sich einer aufmachte, Politik wieder zu öffnen fürs Argument, immerhin, in einer verkarsteten Parteienlandschaft mit vielen zernarbten Seelen nach etlichen Auseinandersetzungen. Man möchte sagen: Er wollte Blumen blühen lassen. Wem das zu sanft, zu lyrisch klingt, hat Platzeck nicht zugehört. Er ist doch der Sensible, von dem manche dachten, dass er es nicht sei. Wäre das ein Wahlkampf gegen Merkel geworden! Der Kampf der vertauschten Vorzeichen. Der Wettbewerb nicht mehr von Ideologien, sondern der Einfühlung. Die solidarische Alternative hat Platzeck als Vermächtnis beschworen – Kurt Beck?

Man soll ihn nicht unterschätzen, seine Jovialität im Umgang nicht mit seinen Prinzipien verwechseln. Damals, vor mehr als 100 Tagen, konnte Beck nicht antreten, auch wegen des Wahlkampfs: in Mainz für SPD und FDP, im Bund für die große Koalition, mittendrin er und die Partei, die sich an ihn klammert – das hätte ihn zerrissen. Heute tut er’s, wie selbstverständlich. Bodenhaftung zeichnet ihn aus, Sinn für das Machbare, Unaufgeregtheit, was auch schon nicht übel ist in diesen jetzt wieder aufgeregten Zeiten. Dazu kennt er die SPD, wenngleich vor allem die im Westen, aus dem Effeff. Er kann mit allen koalieren, besonders mit den Menschen da draußen im Land, wie der andere große unterschätzte Pfälzer gern gesagt hat. Es war Programm, dass Beck als Erstes die Initiative für eine „Elementarschadenversicherung“ bei Flutschäden ankündigte. So ist er. Nur ist er halt auch wieder ein bisschen Retro, 80er Jahre, jedenfalls liegt hier die Skepsis. Die muss Beck jetzt in Berlin auf der großen Bühne abbauen, Montag, Dienstag, Freitag disponibel, wie er sagt. Denn die europäische Reformagenda, vom einfachen Steuerrecht bis zum gerechten Sozialstaat, steht, und die SPD schwankt. Dabei wird sie gebraucht, und sei es, um sich an ihr abzuarbeiten, damit das Bessere das Gute schlägt. Dies im Sinn: auf die nächsten 100 Tage!

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