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Moskau: Estland schließt Botschaft

Der Streit zwischen Russland und Estland wegen eines Ehrenmal aus Sowjetzeiten hat sich verschärft. Nach neuen Übergriffen Kreml-treuer Jugendlicher stellte die estnische Botschaft in Moskau ihre Arbeit vorübergehend ein, wie die Botschafterin Marina Kaljurand mitteilte.

Moskau - Die anti-estnischen Proteste in Moskau dauerten an. Die Bundesregierung, die derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, zeigte sich "zutiefst besorgt" über die Spannungen zwischen dem EU-Land Estland und Russland. Sie rief die Regierung in Moskau auf, ihrer internationalen Verpflichtung zum Schutz ausländischer Botschaften und ihrer Mitarbeiter im Land nachzukommen.

Rund 30 pro-russische Jugendliche randalierten bei einer Pressekonferenz von Botschafterin Kaljurand und lieferten sich ein Handgemenge mit ihren Leibwächtern. Diese hätten die Randalierer mit Tränengas zurückgedrängt, sagte Kaljurand: "Der Angriff war gegen mich gerichtet, aber niemand ist bis zu mir vorgedrungen." Die Botschaft sei geschlossen, Visa würden erst wieder ausgestellt, wenn sich die Lage normalisiert habe, fügte sie hinzu. Mitglieder der vom Kreml unterstützten Jugendorganisationen Naschi-Jugend und Junge Garde setzten ihre Belagerung der Botschaft fort.

Russland gibt Estland die Schuld an den Ausschreitungen

Die russische Regierung gab Estland die Schuld an den Krawallen. "Alle Schuld daran, was sich rund um die estnische Botschaft abspielt, liegt bei den Esten, die das Ehrenmal verlagern wollten", zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti das Außenministerium in Moskau. Russland halte sich an alle internationalen Absprachen zum Schutz der diplomatischen Einrichtungen im Land.

Hintergrund des seit Tagen andauernden Streits ist die Verlegung eines Bronze-Denkmals aus Sowjetzeiten aus dem Zentrum der estnischen Hauptstadt Tallinn auf einen Militärfriedhof. Für die russischstämmige Minderheit in Estland steht der rund zweieinhalb Meter hohe Bronzesoldat für den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg, viele Esten dagegen fühlen sich durch ihn an die jahrzehntelange sowjetische Besatzung nach Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Die Exhumierung von zwölf Skeletten von Weltkriegssoldaten am alten Standort des Denkmals sorgte für zusätzlichen Wirbel.

Weg der Deeskalation gesucht

Die russischen Behörden müssten einen ungehinderten Zugang zur estnischen Botschaft gewährleisten, erklärte das Auswärtige Amt im Namen des deutschen EU-Ratsvorsitzes. Die Präsidentschaft bemühe sich, in Gesprächen mit allen Beteiligten zur Deeskalation beizutragen, hieß es weiter. Auch in der "emotionalisierten Lage um die Frage der sowjetischen Kriegsgräber" empfehle sich ein sachlicher Dialog.

Die Europa-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (FDP) und Cem Özdemir (Grüne) forderten Moskau zur raschen "Klärung der Situation" auf; ansonsten müsse der EU-Russland-Gipfel in zwei Wochen abgesagt werden. "Es ist nicht vorstellbar, dass man zur diplomatischen Tagesordnung übergeht, während zeitgleich die Botschaft eines EU-Mitgliedstaats in Moskau belagert wird", hieß es in einer Erklärung der beiden Abgeordneten. (tso/dpa)

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