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Politik: Moskaus Gunst wechselt

Tschetschenien-Verwalter Kadyrow will Präsident werden. Der Kreml wünscht sich einen anderen

Immerhin 15 Bewerbungen lagen der Zentralen Wahlkommission Tschetscheniens vor, als in dieser Woche die Frist für die Registrierung der Kandidaten für das höchste Amt in der Kaukasusrepublik ablief. Putin hatte Anfang Juli dem Vorschlag einer Tschetschenen-Delegation zugestimmt, Präsidentenwahlen für den 5. Oktober anzuberaumen, den gemäß der per Referendum angenommenen Verfassung frühestmöglichen Termin.

Der Urnengang ist dennoch extrem umstritten. Die Separatisten, die nach wie vor von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt werden, bleiben außen vor. Das heizt die Spannungen in der Republik weiter an. Fast täglich gibt es Anschläge gegen Moskaus Soldaten und pro-russische tschetschenische Beamte. Diese Sicherheitsrisiken machen freie Wahlen per se nahezu unmöglich.

Die Masse der Wähler konnte noch keine wirkliche Alternative zu dem vor drei Jahren als Verwaltungschef eingesetzten ehemaligen Mufti, Achmed Kadyrow, erkennen. Bislang genoss er die uneingeschränkte Unterstützung des Kremls. Mit stillschweigender Duldung Moskaus nutzte er sein Amt für rigorose Kontrolle der lokalen Medien. Doch inzwischen tritt er im russischen Fernsehen kaum noch auf. Und in den Medien mehren sich kritische Berichte über seine Leibgarde, die es, sowohl bei Bewaffnung als auch bei Personalstärke getrost mit den Einheiten der moskautreuen tschetschenischen Miliz aufnehmen kann.

Kadyrows Stamm, der schon jetzt Schlüsselpositionen kontrolliert, rangiert in der tschetschenischen Stammeshierarchie im letzten Drittel. Um seine Macht zu behaupten, muss Kadyrow daher früher oder später Kompromisse machen, die nicht zwangsläufig im Interesse des Kremls liegen. Bis hin zu einem erneuten Frontenwechsel, denn im ersten Kaukasuskrieg hatte er noch gegen die „Ungläubigen“ gekämpft.

Inzwischen sinkt Kadyrows Stern jedoch. Mit „Befriedigung“ soll der Kreml die Kandidatur des tschetschenischen Duma-Abgeordneten Aslanbek Aslachanow begrüßt haben, heißt es in Moskau. Mit hoher Wahrscheinlichkeit drängte ihn das Präsidentenamt sogar zur Bewerbung. Der 64-Jährige gilt als unbestechlich – keine Kleinigkeit angesichts der angekündigten Hilfen für den Wiederaufbau Tschetscheniens. Außerdem steht er zu beiden Kriegsparteien gleichermaßen auf Distanz und genießt auch international einen guten Ruf. Beim Geiseldrama im Moskauer Musical-Theater „Nord-Ost“ war er einer der Vermittler.

Russlands Ex-Parlamentschef Ruslan Chasbulatow dagegen, ein ethnischer Tschetschene und in der Republik populär, kandidiert nicht. Moskau käme es vor allem darauf an, dass das leidige Tschetschenien-Thema definitiv aus den Schlagzeilen der russischen und der internationalen Presse verschwinde, sagte er dem Tagesspiegel. Die Wahlen brächten keinen praktischen Nutzen und würden die Spannungen in der Republik nur weiter anheizen, weil die Probleme nicht gelöst würden. Unter ungünstigen Vorzeichen könne das zu einem Bürgerkrieg führen, warnte Chasbulatow.

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