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Politik: Moskaus Wille

Die OSZE in Tschetschenien soll nur noch Humanitäres leisten – das reicht ihr nicht

Die Verhandlungen zwischen dem russischen Außenministerium und der Organisation für Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind nach zwei Monaten ohne Kompromiss zu Ende gegangen: Die OSZE-Beobachtergruppe in Tschetschenien, deren Mandat am 31. Dezember auslief, muss ihre Tätigkeit in der Krisenregion offiziell einstellen.

Der russische Außenminister Igor Iwanow begründete die Entscheidung unter Verweis auf das Geiseldrama in Moskau Ende Oktober und den Anschlag in Grosny am Freitag, bei dem bis zu 80 Menschen starben. Die jüngsten Ereignisse seien „ein weiterer tragischer Beweis dafür, dass wir es in Tschetschenien mit nichts anderem zu tun haben, als mit internationalem Terrorismus“, sagte Iwanow der halbamtlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Die Terroristen versuchten „mit den brutalsten Methoden, eine politische Lösung in der Tschetschenischen Republik zu verhindern“, sagte der Außenminister. Derartige Entwicklungen machten auch eine Korrektur der Aufgaben und der Präsenz internationaler Beobachter erforderlich. „Nicht all unsere Partner waren jedoch zu einer adäquaten Einschätzung der Lage in Tschetschenien bereit.“

Immerhin hatten die OSZE-Beobachter, gewöhnlich eher zurückhaltend mit Kritik an der russischen Kaukasuspolitik, nach Wiedereröffnung ihrer Mission im nordtschetschenischen Snamenskoje vor anderthalb Jahren hin und wieder deutliche Worte gefunden. Sie prangerten Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung an und kritisierten den Druck auf die Kriegsflüchtlinge bei deren Rückkehr nach Tschetschenien an. Außerdem mahnten sie eine politische Lösung des Konflikts an.

Das Moskauer Außenamt indessen wollte mit seinen vor zwei Monaten übermittelten Vorstellungen für die Zusammenarbeit im Jahre 2003 die Tätigkeit der OSZE-Beobachter auf die Koordinierung bei der Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern und Unterstützung bei der Rückkehr der Flüchtlinge begrenzen. Ein Flüchtlingslager in der Nachbarrepublik Inguschetien wurde bereits geräumt. Die Auflösung zweier weiterer Lager steht nach Erkenntnissen von Moskauer Menschenrechtsorganisationen unmittelbar bevor.

Weil unabhängige Berichterstattung aus Tschetschenien selbst unmöglich ist, waren die Flüchtlinge bisher die einzige Quelle für ungefilterte Informationen aus dem Kriegsgebiet. Nach deren Abschiebung und dem erzwungenen Rückzug internationaler Organisationen aus der Krisenregion, so fürchten in- und ausländische Journalisten, dürfte das Tschetschenien-Thema aus den Medien alsbald völlig verschwinden.

Tschetschenische Rebellen begrüßten unterdessen das Ende der OSZE-Mission. Die Anwesenheit der OSZE-Mitarbeiter habe allein dem „Mythos“ gedient, der Krieg werde international überwacht, zitierte die Internet-Seite „ www.chechen.org ; einen Tschetschenen-Kommandeur. Bundesaußenminister Joschka Fischer hat die Entscheidung Russlands als bedauerlich kritisiert. In einer in Berlin veröffentlichten Erklärung heißt es, die Regierung werde sich für eine erneute Zulassung der OSZE-Mission einsetzen.

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