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Mossad: Mord, Agenten und viele Fragen

Die EU-Außenminister setzen in der Affäre um den Tod eines Hamas-Führers Israel unter Druck.

Beim Abendessen, zu dem EU-Außenministerin Catherine Ashton ihren israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman eingeladen hatte, sollte eigentlich über ganz andere Themen geredet werden: Über das iranische Atomprogramm und die neue Nahost-Friedensinitiative, die Frankreichs Chefdiplomat Bernard Kouchner gerade angekündigt hat. Stattdessen überlagerte ein viel unangenehmeres Thema das Diner: der Mord am palästinensischen Hamas-Funktionär Mahmud Al Mabhuh im Januar in Dubai, für das die Ermittler den israelischen Geheimdienst Mossad verantwortlich machen. Die Europäische Union verlangt Aufklärung darüber, doch Israel hüllt sich weiter in Schweigen; Lieberman lehnte eine Stellungnahme ab.

Ashton erklärte nach dem Treffen, ihren Kollegen aus der EU hätten die Tat von Dubai übereinstimmend als „völlig unakzeptabel“ bewertet. Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy sagte in Paris: „Frankreich verurteilt alle Exekutionen. Nichts kann eine solche Methode rechtfertigen.“ Stärker noch als die Hinrichtung selbst verurteilten Europas Chefdiplomaten jedoch „die betrügerische Verwendung von Pässen der EU-Staaten“.

Nach Erkenntnissen der Polizei in dem Emirat am Golf haben elf mit EU-Pässen ausgestattete Mossad-Agenten Al Mabhuh ermordet – darunter auch ein angeblicher Deutscher, dessen Pass auf den Namen Bodenheimer ausgestellt gewesen sei. Zudem, so heißt es in der Ministererklärung weiter, gehe es um „Kreditkarten, die durch den Diebstahl der Identitäten von EU-Bürgern erworben wurden“. Al Mabhuh war am 20. Januar in einem Luxushotel in Dubai ermordet aufgefunden worden. Er wurde von Israel für die Entführung und Ermordung zweier israelischer Soldaten verantwortlich gemacht.

Die EU will den Vorgang untersuchen, kündigte Ashton an: „Wir müssen erst herausfinden, was genau passiert ist, ehe wir weitere Schritte unternehmen.“

Von einer „beunruhigenden“ und „irritierenden Situation“ sprach der deutsche Außen-Staatssekretär Werner Hoyer, der Bundesaußenminister Guido Westerwelle (beide FDP) in Brüssel vertrat. Die Bundesregierung begrüßte offiziell, dass Kölner Staatsanwälte in der Sache ermitteln. „Wir dringen darauf, dass wir die volle Übersicht über das bekommen, was da geschehen ist“, sagte Hoyer. Auch Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos äußerte sich „äußerst besorgt“ über die Verwendung europäischer Pässe bei dem Mord, der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte, die EU müsse die Ermittlungen der Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate voll unterstützen. Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn betonte, der heimtückische Mord sei „ein Verbrechen, das keinen Platz im 21. Jahrhundert hat“.

Israel versucht indes, die Affäre mit altbewährter Taktik zu bewältigen: Jerusalem schweigt und lässt die Zeit wirken. Offizielle Stellen beantworten Fragen nach der Verwicklung des Geheimdienstes Mossad in den Mord, indem sie weder dementieren noch bestätigen: „Das Büro des Ministerpräsidenten wird zu dieser Sache schweigen“, hieß es aus dem Amtssitz von Benjamin Netanjahu. Dabei wird es wohl bleiben, es sei denn, der unberechenbare Lieberman oder sein Stellvertreter Danny Ayalon befänden es für richtig, sich mit der Liquidierung Al Mabhuhs zu brüsten.

Die Faktenlage wird offenbar immer erdrückender. In einem Interview der Zeitung „Al Bayan“ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erklärte Dubais Polizeichef Generalleutnant Dhahi Khalfan Tamim, „die Polizei von Dubai ist im Besitz von Dutzenden inkriminierenden Beweisstücken“ für die Verwicklung des Mossad.

Das israelische Außenministerium bleibt dennoch gelassen: In Einzelgesprächen mit den europäischen Gesprächspartnern in Brüssel seien keine Beschuldigungen laut geworden, hieß es. Auch die scharf formulierte Erklärung der EU-Außenminister erkläre nicht Israel für verantwortlich. Was den Buchstaben nach stimmt. Aber auch israelische Medien ziehen die Täterschaft des Mossad nicht in Zweifel und forschen nach Spuren im eigenen Land. Und sie fragen, ob der Mord an dem Hamas-Führer Auswirkungen auf den bisher mehrfach gescheiterten Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas haben wird: Es müsse jetzt davon ausgegangen werden, dass die Hamas ihre ohnehin exorbitanten Forderungen von rund 1000 palästinensischen Häftlingen gegen den verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit weiter hochschrauben werde. mit AFP, dpa

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