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Samir Ahmed, 59, mit einem Bild seines Sohns

© Viktoria Kleber

Mubarak-Urteil empört Angehörige: "Ich würde sie selbst töten"

Samir Ahmed hat seinen Sohn während des ägyptischen Aufstands vor anderthalb Jahren verloren. Der Freispruch von sechs verantwortlichen Polizisten am Samstag treibt ihn wieder auf den Tahrir-Platz.

Herr Ahmed, warum sind Sie heute hier?

Die Seele meines Sohns und meine Seele werden nicht ruhen, solange keine Gerechtigkeit eintritt. Ich will, dass die Polizisten so getötet werden, wie sie meinen Sohn und die vielen anderen Märtyrer getötet haben. Hätte ich ein Gewehr, würde ich sie selbst töten.

Wie ist Ihr Sohn denn getötet worden?
Buff, buff. Zwei Treffer in sein Herz, buff, buff. 17 Jahre alt war Ibrahim, Gott hab ihn selig. Er ging Ende Januar letzten Jahres nach dem Freitagsgebet zum Matarya-Platz in Kairo. Er hat gesagt, Papa, ich muss für ein besseres Leben demonstrieren. Dann hab ich ihn nie wieder lebend gesehen. Die Polizisten haben auf dem Matarya-Platz wie wild auf Demonstranten geschossen, so viele haben an diesem Tag ihr Leben gelassen.

Glauben Sie nicht, dass Gerechtigkeit auch per Gesetz kommen kann?
So naiv war ich am Anfang, ja. Wir Märtyrer-Familien kämpfen seit anderthalb Jahren und werden vom Militärrat vom einen auf den anderen Tag vertröstet, an der Nase herumgeführt. Die Richter sind alte Mubarak-Leute und die Beweise für das Töten der Demonstranten wurden alle vernichtet. Wo sind die Gewehre, mit denen geschossen wurde? Aus dem Gerichtssaal verschwunden! Wo sind die Tonbandaufzeichnungen der Telefongespräche, in denen die Schießbefehle gegeben wurden? Komischer Weise gelöscht, obwohl alle anderen noch da sind! Mubarak und das alte Regime stehen in Ägypten immer noch über dem Gesetz.

Ägyptens Ex-Machthaber vor Gericht:

Aber ist es nicht eine Genugtuung Mubarak im Gefängnis zu sehen?
Wenn er in einem richtigen Gefängnis wäre , ja, dann wäre es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber für ihn wurde das Gefängnis extra umgebaut, er sitzt jetzt in einer Luxuszelle. Die ist schöner als meine eigenen vier Wände! Außerdem kommt er mit Sicherheit bald wieder raus. Es wird für seinen Anwalt nicht schwer sein, seine Unschuld nachzuweisen. Und dann sitzt weiterhin keiner hinter Gittern, der unsere Kinder auf dem Gewissen hat.

Kann ein voller Tahrir-Platz daran etwas ändern?
Wie oft standen wir schon hier? Wie oft haben wir gehofft und geglaubt, dass wir auf der Straße was erreichen können? Gegen den Militärrat sind wir machtlos. Da müssen noch viel mehr Söhne wie Ibrahim ihr Leben geben, damit sich in Ägypten etwas ändert.

Was werden Sie jetzt tun?
Meine Kraft ist zu Ende, ich habe keine Energie mehr. Es schmerzt so sehr. Meine einzige Hoffnung ist Mohammed Mursi, der Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder. Wird er, so Gott will, neuer Präsident, rollt er den Prozess neu auf. Und wenn mit Ahmed Schafik das alte Regime zurückkommt, dann sorge ich selbst für Gerechtigkeit – Gott wird mir dabei helfen.

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