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Münchner Sicherheitskonferenz: Friedensforscher: "Wir können gespannt sein"

Jahr für Jahr treffen sich in München Politiker, Militärs und Rüstungsfirmen zur Sicherheitskonferenz. Und sprechen in einem eher formlosen Rahmen miteinander. Wir sprachen mit dem Friedensforscher Hans-Georg Ehrhart über die Aussichten dieser Konferenz.

Herr Ehrhart, was unterscheidet diese Sicherheitskonferenz von denen in den Vorjahren?

Das prägnanteste Merkmal ist die neue amerikanische Regierung, die auch Vertreter dort hinschicken wird. Diese haben eine Gelegenheit, das neue amerikanische Konzept und die damit verbundenen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen und anzutesten, auf welche Resonanz das stößt. Das ist ein gewichtiger Faktor, den man als neu bezeichnen kann. Immerhin war George W. Bush acht Jahre lang an der Regierung.

Wolfgang Ischinger, der Leiter der Sicherheitskonferenz, spricht von einem "Ort der Krisenprävention" - wieweit kann man von konkreten Ergebnissen bei der Konferenz ausgehen?

Ehrhart
Hans-Georg Ehrhart vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. -

© IFSH

Die Konferenz wird eher indirekte Ergebnisse haben, indem besonders über die informellen Gespräche das eine oder andere geklärt oder angeschoben werden kann. Sie ist kein Ersatz für große Politik. Die heißen Themen, die auf der Agenda stehen, werden dort auch in den verschiedenen Panels diskutiert. Zum Beispiel Iran und Atomwaffen, oder das verbesserungswürdige Verhältnis zwischen den USA und Russland. Auch die Finanzkrise wird eine Rolle spielen, weil sie eine indirekte Auswirkung auf die Finanzierung von Sicherheit hat.

Wie läuft diese Konferenz eigentlich genau ab?

Es gibt thematisch orientierte Veranstaltungen, die man Workshops nennen könnte, wenn nicht so viele Teilnehmer dabei wären. Insofern läuft es doch auf Ansprachen hinaus, die dann mit Fragen und Antworten diskutiert werden. Nichtsdestotrotz ist es eine wichtige Übung, weil Entscheidungsträger und Zuarbeiter aus aller Welt zusammen kommen und hier eine fast einmalige Chance haben, etwas freier zu reden als bei offiziellen Zusammenkünften. Das ist der eigentliche Vorteil dieser Konferenz, und vor diesem Hintergrund ist auch die Äußerung Herrn Ischingers zu verstehen. Hier werden eben auch Konflikte oder potenzielle Probleme angesprochen, die vielleicht noch nicht so hoch auf der Agenda stehen. Aber wenn sie nicht behandelt würden, träten sie eines Tages auf noch viel unangenehmere Art in den Vordergrund.

Welche Bedeutung haben zum Beispiel Themen wie Armut oder die Sicherheit von Energiequellen?

Energiesicherheit wird klar eine Rolle spielen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch russische Experten teilnehmen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema eher an zweiter oder dritter Stelle steht. Es wird stark davon abhängen, welche Noten die amerikanischen Teilnehmer setzen. Letztes Jahr war es Putin, der die Richtung vorgegeben hat, mit einer Rede, die doch recht kritisch gegenüber dem Westen war. Es könnten auch Themen wie der Nahostkonflikt in den Vordergrund rücken. Manchmal sind es ja aktuelle politische Ereignisse, die sich kurzfristig auf den Ablauf der Konferenz auswirken können.

Können Sie sich in Sachen Nahostkonflikt ein konkretes Szenario für die Konferenz ausmalen?

Es gibt ja eine gewisse Hoffnung nach der Ernennung des Sondergesandten George Mitchell, dass die neue US-Regierung anders an den Konflikt herangeht und bei aller Vorsicht auch versuchen wird, Bewegung hineinzubringen. Natürlich ist das nur der erste Schritt, das Drama, das sich im Gazastreifen abspielt, in etwas positivere Bahnen zu lenken.

Es gibt Kritiker, die der Konferenz vorwerfen, nicht wirklich zu Problemlösungen beizutragen.

Das ist die Kritik, die insbesondere "von unten" kommt. Kritiker aus der Zivilgesellschaft sagen, das ist eine "Top-Down"-Veranstaltung, es wird nur deklamiert und deklariert. Einwände würden dagegen nicht berücksichtigt. Dieser Vorwurf ist teilweise berechtigt. Es sind aber auch Leute dabei, die nicht zum politischen Establishment gehören, wie Wissenschaftler. Die kritischen Bewegungen sind aber außen vor. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass alternative Gipfel und Protestveranstaltungen abgehalten werden. Das eine schließt das andere nicht aus.

Wäre es möglich, auf der Sicherheitskonferenz auch die kritischen Bewegungen einzubeziehen?

Es wäre einerseits wünschenswert, aber dann würde die Sicherheitskonferenz einen völlig anderen Charakter bekommen. Ich bezweifele, dass das von den Veranstaltern gewollt wäre.

Dieses Jahr wird ja zum ersten Mal ein Vertreter der Kritiker auf der Konferenz dabei sein...

...aber das ist eben nur ein Vertreter. Das zeigt, dass man sich zu einem Teil öffnen will, aber es soll doch eine Veranstaltung bleiben, die ihren besonderen Charakter bewahrt. Also, dass Entscheidungsträger und ihr nahes Umfeld sich einmal treffen und ohne formelle Agenda Probleme miteinander besprechen können. Das wäre sonst nur auf bilateraler Ebene möglich. Hier sind eben sehr viele Entscheidungsträger eine Zeitlang am selben Ort. Wenn man das für weitere Kritiker öffnet, so ist die offizielle Befürchtung, könnten diejenigen, die sich eigentlich treffen sollen, das nicht mehr tun, weil sie sagen: "Es wird zu viel kritisiert."

Wie lässt es sich Krisenprävention vereinbaren, dass auf der Konferenz auch viele Vertreter der Rüstungsindustrie anwesend sind?

In der Regel stehen militärische Auseinandersetzungen im Vordergrund, da spielt das Militär auch eine Rolle, wie zum Beispiel im Nahostkonflikt. Der entscheidende Grund dafür, dass die Vertreter der Rüstungsindustrie da sind, ist, dass sie die Gelegenheit nutzen wollen, ihre Geschäftsinteressen einzubringen. Das kann man kritisieren, das ist aber auch nicht ungewöhnlich. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant zu sehen, wie das Ganze abliefe, wenn dort mehr kritische Stimmen zugelassen würden, die dieses Format etwas aufbrechen könnten.

Informelle Treffen wie zwischen Vertretern der USA und Iran könnten helfen, die Eskalation der vergangenen Jahre abzumildern. Doch auf der anderen Seite steht die Intransparenz einer solchen Veranstaltung. Wie sehen Sie das?

Oft bringen formelle Konferenzen nicht so viel Erfolg, weil man am Ende konkrete Ergebnisse vorweisen muss. Die werden dann von der Öffentlichkeit und Experten kritisch beäugt. Der Wert der Sicherheitskonferenz liegt in der Informalität. Transparent ist das nicht, weil die entscheidenden Gespräche in den Hinterzimmern stattfinden werden. Aber selbst hier hat die Münchner Sicherheitskonferenz in all den Jahren ihrer Existenz bewiesen, dass in den offiziellen Runden, die ja nicht geheim sind, Positionen vertreten und geklärt werden können, die wiederum die Politik voranbringen. Es kann natürlich auch sein, dass diese Dinge missverstanden oder falsch interpretiert werden, wie das zum Beispiel bei Putins berühmter Schelte der Fall war.

Oder man nutzt die Gelegenheit, um sich klar zu positionieren, wie das damals Joschka Fischer in puncto Irakkrieg tat.

Das ist sehr wichtig, dass man sich das in diesem Forum eher erlaubt als bei einer offiziellen Begegnung. Auch da ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass man das hinter den verschlossenen Türen macht. Wir können gespannt sein, ob es wieder solch einen Knaller gibt, oder ob es eher Business as usual sein wird.

Dr. Hans-Georg Ehrhart ist wissenschaftlicher Referent am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Konfliktprävention, Europäische Sicherheit und internationale Organisationen.

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