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© dpa

Münchner Sicherheitskonferenz: USA ändern Afghanistan-Strategie

Neue Töne: Auch Militärs und Politiker aus den USA werben jetzt für mehr Aufbauarbeit am Hindukusch. Am letzten Tag der Sicherheitskonferenz stand die Lage in Afghanistan im Mittelpunkt.

Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) konnte sein Glück kaum fassen. Endlich, endlich erkennen nun sogar amerikanische Generäle das Prinzip der vernetzten Sicherheit, das die Deutschen immer und immer wieder betont haben, als richtig an – zivile und militärische Elemente gehören bei einem Einsatz wie in Afghanistan also untrennbar zusammen. „Das hörte sich 2006 noch ganz anders an“, verkündete der Minister in fast triumphierendem Ton. Man hatte fast den Eindruck, gleich würde er die Akten rausholen. Sein kanadischer Kollege Peter MacKay nannte die Herangehensweise „das Konzept des gesunden Menschenverstandes“.

Jung rechnete vor, dass noch 100 000 der 134 000 Polizisten fehlten, die für die sogenannte selbsttragende Sicherheit nach Auffassung der Nato nötig seien. Da werde sich Deutschland verstärkt engagieren. Auch werde Berlin die Kräfte der Quick Reaction Force im Rahmen der Obergrenze von 4500 deutschen Soldaten ausweiten. Details dazu nannte er nicht. Wird das den Amerikanern reichen, die sich mit Vizepräsident Joe Biden am Samstag, dem nationalen Sicherheitsberater James Jones und Befehlshaber General David Petrae us und dem Sondergesandten Holbrooke offener und teils sogar fast zerknirscht gaben?

Auch Petraeus präsentierte sich weicher, sprach poetisch von Menschen als „dem entscheidenden Gelände“. Zivile Opfer sollten auf das „absolute Minimum“ reduziert werden. Nun wäre der mit brustfüllenden Abzeichen ausgestattete General Petraeus aber nicht Petraeus, wenn er sich einem zivilen Primat unterordnen würde – zumal sein Präsident ja auch schon neue Truppen für Afghanistan angekündigt hat. Es wird sicher spannend, wie er mit dem Bulldozer und „begabten, selbstlosen Diplomaten“ Richard Holbrooke zusammenarbeiten wird.

Auch für Afghanistans Präsident Hamid Karsai ist diese Frage nicht unwichtig, hatte der sich vorher über mangelnden Respekt für die Bevölkerung beklagt. Dabei stehe sie an der Seite derer, die gegen den Terror seien, aber sie bräuchten auch eine Perspektive. Er schimpfte auch über die internationale mangelnde Koordinierung und kündigte ein wenig nebulös an, die Taliban und andere Extremistengruppen stärker einbinden zu wollen – viele Beobachter sahen in diesen Äußerungen allerdings eher ein Zeichen der Schwäche des für sein schwaches Regierungshandeln in letzter Zeit stark unter Druck geratenen Präsidenten.

Andere Amerikaner vermieden es auffällig, Wünsche zu äußern. Man wollte wohl einen neuen politischen Frühling zelebrieren, der nicht schon am ersten Wochenende durch Wölkchen getrübt werden sollte. Die Kongressabgeordnete Ellen Tauscher etwa betonte im Gespräch mit dem Tagesspiegel fast ein bisschen pikiert: „Wir sind nicht mit einer Liste von Forderungen gekommen.“ Petraeus hatte dann doch eine dabei – auch wenn er „nicht nur zusätzliche Kampftruppen“ forderte. Zudem machte der General noch etwas anderes deutlich. Er wolle „den Kampf gewinnen“. Man wolle die Versöhnlichen von den Unversöhnlichen trennen, werde den Stammesvertretern zuhören. Aber man werde „den Feind beharrlich verfolgen und nicht davor zurückschrecken, ihn zu töten, zu verfolgen und zu vertreiben“.

Holbrooke, der als harter Verhandler gilt, nannte Petraeus seinen Mitverschwörer – und den „wahren Bulldozer“. Wie viele andere an diesem Tag machte der Sonderbeauftragte für die Region deutlich, dass es nicht allein um Afghanistan geht, sondern um die ganze Region. „Das müssen wir in die Köpfe hämmern.“ Es gebe ein grenzübergreifendes Kampfgebiet. Und er benannte auch die Zuständigkeiten: Westlich der Grenze sei die Nato verantwortlich, östlich Pakistan. Der internationale Terror sitze östlich der Grenze. Jones hatte es zuvor einen strategischen Fehler genannt, dass man erst im Laufe der Zeit erkannt habe, dass es sich um ein regionales Problem handele. Das soll Holbrooke wieder einfangen. Schon in den nächsten Tagen verhandelt er in Islamabad. Er hängte die Hoffnungen aber tief: „Es gibt keine Zauberformel für Afghanistan. Es gibt kein Dayton“ . Mit dem von ihm verhandelten Abkommen war in den 90ern der Krieg in Bosnien beigelegt worden.

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