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Politik: Müntefering folgt Bebel und Schröder

100 Prozent bei der Wahl zum neuen SPD-Chef knapp verfehlt / Spitzenduo schwört Partei auf den Reformkurs ein

Berlin. In ungewöhnlich emotionaler Form hat die SPD am Sonntag ihren Führungswechsel vollzogen. Franz Müntefering wurde mit 95,11 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Gerhard Schröder gewählt. Damit erhielt er ein besseres Ergebnis als Schröder je in seinen knapp fünf Jahren als SPD-Chef und das beste seit Björn Engholm 1991.

Schröder hatte sich zuvor sehr bewegt bei denen für die Unterstützung bedankt, „die ich liebe und die mich lieben“. Es sei für ihn eine große Ehre gewesen, die 140 Jahre alte SPD in der Nachfolge von Bebel und Brandt zu führen. „Ich war stolz darauf“, sagte Schröder, der sich nach seiner Rede Tränen aus den Augen wischte. Keinen Zweifel ließen der Kanzler und der neugewählte Vorsitzende daran, dass der Reformkurs, wie in der Agenda 2010 niedergelegt, ungeachtet eines nie gekannten Stimmungstiefs der Sozialdemokratie fortgesetzt wird. Unterstützen wird sie als neuer Generalsekretär der Berliner Klaus Uwe Benneter, der mit mehr als 78 Prozent der Stimmen gewählt wurde.

Demonstrativ übereinstimmend waren die Aussagen des neuen Spitzenduos der SPD zu allen aktuellen Streitfragen. Fast gleich lautend sagten Schröder und Müntefering: „Was beschlossen ist, wird nicht verändert.“ Dazu zählt auch der Parteibeschluss zur Ausbildungsplatzabgabe für Unternehmen. Schröder wie Müntefering halten sie dann für angebracht, wenn die Firmen nicht ausreichend Ausbildung anbieten. Allerdings öffnete Müntefering noch den Weg für eine gütliche Lösung, über die er mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, seinem Vize im SPD-Vorsitz, beraten wird.

Müntefering warb in seiner Bewerbungsrede zum Parteichef um die, die abweichende Meinungen vertreten, verbunden mit der Warnung, den gemeinsamen sozial-demokratischen Anspruch nicht durch Zersplitterung der Kräfte zu gefährden. In diesem Sinne bot Müntefering auch den mit der SPD hadernden Gewerkschaften Zusammenarbeit an, so wie vorher Schröder, der das allerdings auf die internationale Ebene bezog. Eine ruhige Partei wolle er nicht, sagte Müntefering, Streit müsse sein, aber auch das klare Bewusstsein, nach Entscheidungen entschlossen und geschlossen zu handeln.

Das Wichtigste ist für den neuen Vorsitzenden, dass die SPD sich „ehrlich macht“. Da gebe es noch einen großen Nachholbedarf, bei allen, doch es helfe nichts. Eine Entscheidung für oder gegen Globalisierung sei nicht möglich, weil sie da sei und gestaltet werden müsse – aber unter den veränderten Vorzeichen. Eines seiner Beispiele: Früher hätten Sozialdemokraten bei geringem Wachstum mit staatlichem Geld national Konjunktur gemacht, heute gebe es „weder Geld im Keller noch auf dem Dachboden, das man holen kann“. Als seine Grundsätze beschrieb er: „Den Kapitalismus zähmen“ und „Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt“. Außerdem kündigte Müntefering an, eine Debatte um Werte und ihren Sinn zu entfachen.

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