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Politik: Müntefering: Große Koalition ist "keine Sünde"

Zwischen SPD und Grünen bahnt sich ein handfester Koalitionsstreit an. Anlass ist die geplante Senkung der Unternehmenssteuern, die die Grünen offenbar nicht mehr mittragen wollen. SPD-Chef Müntefering verteidigte derweil die Entscheidung, ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu ziehen. (27.05.2005, 18:05 Uhr)

Berlin - Vor der geplanten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf dem Weg zu Neuwahlen ist ein handfester rot-grüner Koalitionskrach um die Steuerpolitik entbrannt.

Die SPD warf den Grünen am Freitag vor, sie wollten die gemeinsam abgestimmte Steuersenkung für Unternehmen nicht mehr mittragen. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager widersprach vehement. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sagte unterdessen dem «Spiegel», eine große Koalition von SPD und Union sei «keine Sünde». Dies sei «aber nichts, was ich suche».

Die Minister der Grünen wollen am Sonntag in Berlin mit der Partei- und Fraktionsspitze ihre Position zur SPD neu bestimmen. Der Ort wurde geheim gehalten. Spekulationen, die Grünen wollten ihre Minister zurückziehen und die Koalition damit vorzeitig platzen lassen, wies Sager in einem dpa-Gespräch zurück. Parteichef Reinhard Bütikofer sagte «Spiegel Online», es gehe am Sonntag nur um «programmatische Planung». Einen einseitigen Koalitionsbruch durch die Grünen schloss Bütikofer aus Gründen der Staatsräson aus. Für Dienstag ist seit längerem eine Koalitionsrunde von SPD und Grünen im Kanzleramt geplant.

Die Grünen zweifeln nach den Worten Sagers zwar an der Realisierbarkeit der Unternehmenssteuerreform, wollen die Koalition mit der SPD aber nicht deswegen platzen lassen. Am geplanten Beratungs-Zeitplan der Steuergesetze im Bundestag werde festgehalten.

Regierungssprecher wirft Grünen Blockadepolitik vor

Der Kanzler kritisierte das Vorgehen der Grünen scharf. Regierungssprecher Béla Anda sagte, nach der Blockadehaltung der Union hätten sich jetzt «offenkundig maßgebliche Abgeordnete der Grünen entschieden», die Steuerreform nicht mitzutragen. Die Regierung werde ihr Konzept auch gegen den Widerstand Einzelner aus der Koalition offensiv verteidigen. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte, die Fraktionsspitze der Grünen habe den Sozialdemokraten am Vortag mitgeteilt, dass sie die Reform nicht mittragen werden.

Sager sagte dazu: «Der Risikofaktor in dieser Koalition sind nicht die Grünen.» Sie zweifle aber daran, dass man sich mit dem Bundesrat über eine «seriöse Gegenfinanzierung» der Steuersenkung verständigen könne. Anda sagte hingegen, die Gegenfinanzierung stehe. Die Gesetzentwürfe seien auch von grünen Kabinettsmitgliedern beschlossen worden. Es wäre besser gewesen, den Streit nicht öffentlich auszutragen.

Offen blieb am Freitag, ob der Kanzler den Steuerstreit mit den Grünen mit der für 1. Juli angekündigten Vertrauensfrage verbinden wird. Sager sprach von einer reinen Spekulation. «Das ist richtiger Unsinn.» Für die Umstände der Vertrauensfrage sei das Kanzleramt zuständig.

Anda sagte, der Kanzler werde sich zu «gegebenem Zeitpunkt dazu äußern». CDU-Generalsekretär Volker Kauder warf der Koalition taktisches Spiel vor. «Die SPD besorgt sich Vorwände für die Begründung der Vertrauensfrage», sagte er der dpa.

Müntefering widersprach im «Spiegel» auf die Frage, ob die SPD mit der vorgezogenen Wahl ihre Bündnis-Optionen um eine große Koalition erweitern wolle. «Nein, da ist die Lage eindeutig», sagte der SPD-Chef. «Priorität» für die SPD habe die Fortsetzung der jetzigen Koalition. «Wenn sich die Möglichkeit ergibt, wird das bisherige Bündnis fortgesetzt.»

Gleichwohl sei eine große Koalition «keine Sünde». Schleswig-Holstein werde von einer großen Koalition regiert, auch auf Bundesebene habe es dies «schon einmal gegeben».

Seinen Parteifreunden riet Müntefering, sich nicht auf eine vermeintlich leichtere Oppositionsrolle einzustellen. «Ich bin immer für das Regieren, das ist gar keine Frage.» Auf die Frage, wie er Rot-Grün derzeit beurteile, sagte er: «Ein Zweckbündnis und keine Liebesheirat».

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) geht weiter von einem Wahlkampf «Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb» aus. Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske schloss im «Tagesspiegel» (Samstag) einen Rückzug der Minister seiner Partei aus dem Kabinett Schröder nicht völlig aus.

In Deutschland herrscht laut ZDF-«Politbarometer» ähnlich wie 1998 Wechselstimmung: 60 Prozent der Wähler sind der Meinung, dass nach einer Bundestagswahl im Herbst andere Parteien regieren sollten. 50 Prozent sähen CDU-Vorsitzende Angela Merkel lieber im Kanzleramt als den Amtsinhaber (44 Prozent). (tso)

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