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Politik: Müntefering prangert "Macht des Kapitals" an

SPD-Chef Franz Müntefering sieht in der zunehmenden Dominanz der Wirtschaft eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Dies ist ein Kernpunkt des neuen Programmentwurfs der Sozialdemokraten, den Müntefering heute in Berlin vorstellte.

Berlin (13.04.2005, 15:32 Uhr) - In einer Rede zum neuen Grundsatzprogramm der SPD kritisierte SPD-Chef Franz Müntefering am Mittwoch in Berlin die zunehmende Dominanz der Wirtschaft in der Gesellschaft und die «totale Ökonomisierung eines kurzatmigen Profit-Handelns». Sie blendeten den Menschen aus und reduzierten «rücksichtslos» die Handlungsfähigkeit des Staates. Müntefering verwies dabei auf die Sozialverpflichtung des Eigentums im Grundgesetz und forderte die Unternehmer auf, sich für ihre Beschäftigten und für den Standort «mitverantwortlich zu fühlen und entsprechend zu handeln».

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt kritisierte die ungewöhnlich scharfe Wirtschaftsschelte Münteferings und warf ihm in einem dpa-Gespräch Realitätsferne vor.

Mit seiner Rede machte Müntefering erste Konturen des neuen SPD-Grundsatzprogramms deutlich, das die Sozialdemokraten im November auf ihrem Parteitag in Karlsruhe verabschieden wollen. Die Ergebnisse verschiedener Diskussionsforen sollen im Spätsommer in einen Entwurf einfließen.

Müntefering kritisierte, dass die gegenwärtige Ökonomie «bestenfalls indirekt auf das Sozialwesen Mensch» ziele. «Sie kalkuliert die Menschen zwar ein, aber nur in Funktionen: als Größe in der Produktion, als Verbraucher oder als Ware am Arbeitsmarkt.»

Zusammen mit «international forcierten Profit-Maximierungs-Strategien» gerieten dabei der Mensch, die Zukunft ganzer Unternehmen und die Regionen aus dem Blick. Die Handlungsfähigkeit von Staaten werde auf diese Weise von internationalen Finanzakteuren «rücksichtslos reduziert». Dadurch werde die Reputation des Staates bei seinen Bürgern «belastet, weil er nicht mehr in der Lage ist, die von ihm erwartete Interessenwahrung hinreichend zu leisten».

Scharf wandte sich Müntefering zugleich gegen «Staatsskepsis» und «Staatsverachtung». Demokratie brauche den Staat. «Mancher putzt sich gerne die Füße an ihm ab und macht ihn zum Synonym für eine Krake und für Bonzen, für Bürokratie und für die Unfähigkeit. Manche forderten «den schlanken Staat und wären doch nicht böse, wenn er denn verhungere. Ja sie legen es darauf an.»

Ziel der SPD bleibe der Sozialstaat, der dem Bürger eine gerechte Ordnung und Sicherheit garantiere. Bildung, Gesundheit, Finanzwesen und Infrastruktur seien dabei «zentrale öffentliche Güter». Doch der Staat könne nicht alles alleine regeln und sei auch mehr als ein bloßer «Reparaturbetrieb». Selbstverpflichtungen wirkten oft effizienter als staatliche Verordnungen. Der Ausbildungspakt von Wirtschaft und Staat zur Schaffung von mehr Lehrstellen sei aktuell ein gutes Beispiel dafür.

Nationalstaat wie Europäische Union müssten sich entscheiden, ob sie dem Markt «Schneisen schlagen» wollen, die auch die sozialstaatlichen Aufgaben berührten, oder ob sie im Sinne der EU-Verfassung gemeinsam eine «demokratische und soziale Union» bilden wollten.

Hundt sagte, «von einem Diktat der Wirtschaft» könne überhaupt keine Rede sein. «Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt aller Bemühungen.» Genau deshalb hätten sich die Arbeitgeber dafür eingesetzt, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erreichen. Münteferings Äußerungen seien «vorrangig ein Ablenkungsmanöver». (tso)

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