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Politik: Muslime, Christen, Wählerstimmen

Unionspolitiker wollen 2006 einen Wahlkampf im Zeichen des Türkei-Beitritts – eine leere Drohung?

Berlin - Wer wissen will, welche Position zum EU-Beitritt der Türkei in der Union nicht mehrheitsfähig ist, spricht am besten mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschuss, Volker Rühe (CDU). Der ehemalige Verteidigungsminister hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Anti-Beitritts-Kurs von CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber für falsch hält – nicht zuletzt wegen gegenteiliger Versprechungen der Regierung Kohl. Am Montag, wenige Tage vor dem Brüsseler Gipfel zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, meldete sich Rühe wieder zu Wort. „Ein Beitritt der Türkei wird jene überwiegende Mehrheit der Muslime in der Türkei und Deutschland stärken, die im Einklang mit dem Rechtsstaat und europäischen Werten leben wollen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Die Unionsführung ist freilich gegenteiliger Ansicht. Sie hat vor der Entscheidung der EU den Ton der Auseinandersetzung deutlich verschärft. Nach einer klaren Ansage Stoibers deutete zum Wochenanfang auch Merkel an, im Falle eines Wahlsieges der Union 2006 auf einen Stopp der Aufnahme der Türkei zu drängen und stattdessen eine „privilegierte Partnerschaft“ durchzusetzen. Das Thema werde auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. Und CSU-Generalsekretär Markus Söder sekundierte aus München, die Türkei-Frage werde im „absoluten Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stehen“.

Die trägt die Union in dieser Woche auch in den Bundestag. Dem Parlament will die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag vorlegen, in dem sie vor „erheblichen Sicherheitsrisiken“ im Falle eines Beitritts warnt. So müsse die Bundesregierung unter anderem die Frage beantworten, was sie gegen die Gefahr unternehmen wolle, „dass islamistische Gruppierungen in Deutschland Rückenwind verspüren könnten, wenn sich der Beitritt eines Landes mit muslimischer Bevölkerung abzeichnet“.

Die Regierungskoalition sieht sich durch den Antrag in ihrem Verdacht bestätigt, der Union gehe es darum, die Anti-Beitrittsstimmung in der Bevölkerung in Wählerstimmen umzumünzen. CDU und CSU wollten die Bundestagswahl 2006 in Ermangelung rationaler Argumente „mit Populismus“ gewinnen, so der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen. Teil ihrer Strategie sei offenbar, das Selbstbild Deutschlands zu verändern: „Das Selbstbild Deutschlands soll ein völkisches werden.“

Ob CDU und CSU tatsächlich mit dem Türkei-Thema in den Bundestagswahlkampf ziehen werden, ist indes offen. Parteistrategen bezweifeln, dass Merkel dies wirklich will. Auch sei noch längst nicht klar, dass eine Kanzlerin Merkel versuchen werde, bereits beschlossene Aufnahmeverhandlungen zu stoppen.

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