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Politik: Muslime in aller Welt: Papst verleumdet den Islam

Von Pakistan bis zur Türkei wütende Proteste gegen die Vorlesung in Regensburg / Experte: Benedikt hätte differenzieren müssen

Berlin/Istanbul - Die muslimische Welt hat am Freitag empört auf die jüngsten Äußerungen des Papstes zum Islam reagiert. In vielen Ländern, darunter Ägypten, Indien und Palästina, gab es heftige Proteste gegen Benedikt XVI. Seine Äußerungen waren Thema der Freitagsgebete, das pakistanische Parlament verabschiedete eine Protestresolution. Die Organisation der Islamischen Konferenz, der 57 Staaten angehören, sprach von einer Verleumdungskampagne und erklärte, sie hoffe, „dass diese Kampagne nicht der Prolog für eine neue Politik des Vatikans gegenüber dem Islam ist, nach den vielen Jahrzehnten des Dialoges, der die Kleriker des Vatikans und die führenden Denker und Religionsgelehrten der Muslime einander näher gebracht hat“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm den Papst in Schutz. „Wer den Papst kritisiert, verkennt die Intention seiner Rede“, sagte sie der „Bild“-Zeitung. Der Vortrag sei eine Einladung zum Dialog der Religionen. Der Papst habe sich ausdrücklich für diesen Dialog eingesetzt, den auch sie befürworte. Was Benedikt XVI. deutlich mache, so Merkel, sei eine „entschiedene und kompromisslose Absage an jegliche Anwendung von Gewalt im Namen der Religion“.

In der Türkei wollen die Behörden den Streit über die Äußerungen des katholischen Kirchenoberhauptes nicht weiter eskalieren lassen. Er wolle dieses Thema nicht weiter fortsetzen, sagte der Chef des staatlichen Religionsamtes, Ali Bardakoglu. Noch am Donnerstag hatte Bardakoglu eine förmliche Entschuldigung des Papstes verlangt, weil er in einer Rede in Regensburg ohne Distanzierung einen oströmischen Kaiser des Mittelalters zitiert hatte, der dem Islam gewaltsame Bekehrung vorwarf. Zudem hatte der Papst erkennen lassen, dass für ihn der islamische Begriff von Gott nicht vernunftbestimmt sei. Während in der Presse und im Parlament die Wut auf den Papst hochkochte, sagte Premier Recep Tayyip Erdogan zu dem Thema kein Wort.

In Deutschland begrüßte der Vorsitzendes des Islamrats, Ali Kizilkaya, die Klarstellung des Vatikans. Dessen Sprecher hatte darauf verwiesen, dass es Benedikt darum gegangen sei, religiöse Rechtfertigungen für Gewalt zurückzuweisen. Die Islambeauftragte der SPD im Bundestag, Lale Akgün, riet, keine Missverständnisse zu konstruieren und so den Dialog der Religionen zu gefährden. Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) nannte die Kritik am Papst „absurd“. „Die Kernbotschaft der Rede in Regensburg ist, dass Religionen nicht mit Gewalt durchgesetzt werden dürfen“, sagte Laschet dem Tagesspiegel. „Das ist richtig und steht in der Tradition des Dialogs der Religionen, den dieser Papst seit Jahren fördert.“ Benedikt habe die Landesregierung sogar ausdrücklich ermutigt, Islamunterricht an NRW- Schulen einzuführen. Der Islamwissenschaftler Adel Theodor Koury, aus dessen Arbeiten der Papst zitiert hatte, zeigte sich nicht glücklich über die Regensburger Rede: „Ich hätte mir vom Papst ein paar Worte der Differenzierung gewünscht“, sagte er dem Tagesspiegel. Die von ihm zitierte Lesart des Islams sei nur eine, es gebe aber auch andere, friedfertige Lesarten.

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