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Gläubige Muslime beten im Gebetsraum einer deutschen Moschee.

© dpa

Muslime in Deutschland: Islam-Gesetz? Das langt nicht!

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer will mit einem Islam-Gesetz Moscheen vorschreiben, welche Imame sie einzustellen haben. Das ist frommes Wunschdenken. Eine Analyse.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer will, dass die Moscheen und Imame in Deutschland nicht aus dem Ausland finanziert werden. Dazu brauche es ein Islam-Gesetz. "Die Finanzierung von Moscheen oder islamischen Kindergärten aus dem Ausland, etwa aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien, muss beendet werden", sagte er der Zeitung "Die Welt". Alle Imame müssten in Deutschland ausgebildet sein und die hiesigen Grundwerte teilen. "Es kann nicht sein, das andere zum Teil extreme Wertvorstellungen aus dem Ausland importiert werden. Deutsch muss die Sprache der Moscheen werden. Das aufgeklärte Europa muss seinen eigenen Islam kultivieren."

Mit der Forderung nach einem Euro-Islam und nach hier ausgebildeten Imamen rennt Scheuer offene Türen ein. Es ist der Grund dafür, weshalb die deutschen Universitäten vor vier Jahren begonnen haben, erste Zentren für Islamische Theologie einzurichten. Den Anfang machten zum Wintersemester 2011/2012 die Universitäten Tübingen, Münster/Osnabrück, Frankfurt am Main und Erlangen-Nürnberg. Mittlerweile sind dort 1800 Studierende eingeschrieben. Weitere Institute sind geplant, unter anderem in Berlin.

Angestoßen hatte diesen Prozess die Deutsche Islamkonferenz, die der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) etablierte. Die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat die Umsetzung zügig vorangetrieben. Die Institute wurden vom Bildungsministerium bisher mit 20 Millionen Euro gefördert. Der hier ausgebildete Islam-Nachwuchs soll die rund 2500 Moscheegemeinden reformieren - und die konservativen Islam-Verbände am besten gleich mit. So die Hoffnung der Politik.

Scheuer rennt offene Türen ein

Ob das gelingen wird, ist auch eine Finanzierungsfrage. Die vier großen Islam-Dachverbände haben von Anfang an grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt, die hier ausgebildeten Imame, Religionslehrer und Sozialarbeiter zu übernehmen. Sie wiesen zugleich auf die Schwierigkeit hin, das neue Personal zu finanzieren. Die Mehrheit der Moscheen in Deutschland gehört zum türkisch-islamischen Dachverband Ditib, ein Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara.

Die Religionsbehörde stellt nach wie vor auch die meisten Imame für die Ditib-Moscheen in Deutschland - und finanziert sie. Die Religionsbehörde gibt den meisten Moscheen auch zentral die Freitagspredigt vor. Diesen Umstand kritisiert CSU-Generalsekretär Scheuer zurecht. Auch das mit vielen Millionen Petro-Dollars unterfütterte reaktionäre Missionsprogramm Saudi-Arabiens im Westen ist ein übler Missstand.

Viele Imame kommen aus der Türkei

Doch es ist nicht so, dass das noch niemandem außer Andreas Scheuer aufgefallen wäre. Auch viele Muslime kritisieren das mittlerweile. Besonders die Jüngeren wünschen sich Imame, die wie sie in Deutschland aufgewachsen sind und hier ausgebildet wurden und mit der hiesigen Gesellschaft vertraut sind. Denn dann können sie ihnen bei den Alltagsproblemen viel besser helfen als ein Theologe aus dem Ausland. Einige Ditib-Landesverbände haben sich mittlerweile auf den Weg gemacht, sich vom türkischen Einfluss zu befreien.

Doch die Finanzierung aus der Türkei oder einem anderen islamisch geprägten Land ist für viele Moscheegemeinden bequem. Alle Imame auf einmal selbst bezahlen zu müssen, würde die Moscheegemeinden überfordern, sagen die Ditib-Vorsitzenden. Der Einwand ist berechtigt. Die Moscheen finanzieren sich größtenteils über Spenden und hier und da über zeitlich befristete staatliche Zuschüsse für einzelne Projekte etwa in der Jugendarbeit. Eine Steuer vergleichbar mit der staatlich eingezogenen Kirchensteuer gibt es nicht.

Wer möchte, dass die deutschen Moscheen hier ausgebildete Imame einstellen, muss deshalb auch über Finanzierungsmöglichkeiten und die staatskirchenrechtliche Gleichstellung von Moscheegemeinden sprechen. Das wäre sogar dringend nötig - gerade um Moscheen im Kampf gegen Extremismus zu stärken. Das aber tut Generalsekretär Scheuer nicht. Denn dann wird die Sachlage komplizierter und lässt nicht so leicht in markige Sätze fassen. In der Islamkonferenz diskutieren Islam-Vertreter seit Jahren mit Vertretern des Bundesinnenministeriums darüber.

Wer soll die neuen hier ausgebildeten Imame bezahlen?

Der Umstand, dass die türkische Religionsbehörde einen großen Einfluss auf deutsche Moscheen ausübt, war der Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten im übrigen meistens sehr willkommen. Die Türkei galt als laizistischer Staat - und ihre Einflussnahme geradezu als Schutzschild gegen religiösen Extremismus.

Staat darf nicht vorschreiben, welche Pfarrer oder Imame sie anzustellen haben

Blanker Populismus ist Scheuers Forderung da, wo er den Eindruck erweckt, der deutsche Staat könne den Moscheegemeinden vorschreiben, welche Imame sie einzustellen hätten. Denn das verbietet die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit. Der Staat würde auch nicht auf die Idee kommen, Kirchengemeinden oder Synagogen vorzugeben, welche Pfarrer oder Rabbiner sie zu beschäftigen haben.

Wenn sich eine Moscheegemeinde dezidiert einen Imam aus der Türkei wünscht, etwa, weil die Mehrheit der Gläubigen der älteren Generation angehört und nicht gut Deutsch spricht, können das die deutschen Behörden nicht verbieten. Zurecht. Der Staat kann und sollte Anreize für Reformen setzen, hat aber nicht das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten von Religionsgemeinschaften einzumischen. Der Staat ist deshalb nicht machtlos: Predigt ein Pfarrer, Imam oder Rabbiner verfassungsfeindliche Dinge oder stiftet gar zu verfassungsfeindlichen Taten an, ermitteln die Strafverfolgungsbehörden. Einige wenige Imame wurden in den vergangenen Jahren auch abgeschoben. Gegen den Salafisten-Prediger Sven Lau wurde gerade wegen Terrorverdachts Anklage erhoben.

Viele Salafisten predigen auf Deutsch

Die Salafisten zeigen im übrigen, dass eine Deutschpflicht und hier aufgewachsene Prediger kein Allheilmittel im Kampf gegen religiösen Extremismus sind. Gerade weil in vielen Salafisten-Moscheen die Imame auf Deutsch predigen und wie etwa Sven Lau und sein Kumpane Pierre Vogel die Mentalität von deutschen Jugendlichen so gut verstehen, gelingt es ihnen, immer mehr auf ihre Seite zu ziehen.

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