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Politik: "Muslime zwischen Herkunft und Zukunft": Wie der Islam in Berlins Schulen kommt

Zwar wird der "Islam unter deutschen Dächern" oft erörtert, jedoch gibt es nur wenige Studien über seine Vielfalt. Besonders rätselhaft erscheint deshalb gerade der islamische Unterricht.

Zwar wird der "Islam unter deutschen Dächern" oft erörtert, jedoch gibt es nur wenige Studien über seine Vielfalt. Besonders rätselhaft erscheint deshalb gerade der islamische Unterricht. Dieser sei, so meint Irka-Christin Mohr, jede Form der Vermittlung von Inhalten, die diese Reigion erhellen. Doch anders als der Religionsunterricht oder die religiöse Unterweisung, beinhalte der "religiöse Unterricht" kein didaktisches Konzept. Vielmehr sei er ein Ideengehäuse, das sich aus der Praxis ergeben habe.

Trotzdem könne islamischer Unterricht als Religionsunterricht in öffentlichen Schulen stattfinden, stellt Mohr fest. Sogar ganz im Sinne des siebten Grundgesetzartikels. Aber da geht der öffentliche Streit los. Denn schon dieser Begriff setzt im Sinne der Verfassung die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft voraus. Worin aber bestehen sie, wer legt sie fest und wer vertritt sie? Umstritten sind sowohl die Unterrichtsmethoden als auch die -inhalte. Die religiösen Quellen, Koran und Sunna, enthalten jedenfalls wenig zur Kindererziehung.

In Berlin, wo es 70 Moscheen und Gebetsräume gibt, bieten seit den 70er Jahren religiöse Vereine islamischen Unterricht an. Ziele ihrer Koranschulen sei das Memorieren des Korans und die Vermittlung religiöser Pflichten. Sofort kam daran Kritik auf. Nachteilig sei dieses rezeptive Lernen für die spätere Entwicklung selbständiger Lerntechniken. Einige bekannte Fälle körperlicher Züchtigung und psychischen Drucks verstärkten die Kritik an den Methoden. Gleiches gelte für Veranstalter, neben als den harmlos geltenden Selbsthilfegruppen auch solche türkisch-islamische Bewegungen wie Nurculuk und Sueleymancular sowie rechte Vereine wie die Grauen Wölfe. Letztere gaben Lehrmaterial mit extremistischen und rassistischen Gehalten heraus, die den Integrationszielen öffentlicher Schulen durchaus widersprachen, schreibt die an der Universität Erfurt tätige Autorin. Umfragen unter Muslimen ergaben aber, dass außerschulische Korankurse nicht abgeschafft werden sollten, sobald öffentliche Schulen islamischen Unterricht anbieten. Deshalb sollten sich der Unterricht an den öffentlichen Schulen und die außerschulischen Angebote ergänzen.

Zwar hat Irka-Christin Mohr mir ihrer Studie ins Schwarze getroffen, kommen doch die Hälfte der Ausländer in Berlin aus muslimischen Regionen, indessen erwiesen sich ihre Befragungen für das nun vorliegende Buch als schwierig. Wohl ist jeder fünfte Berliner ein Muslim im mehrheitlich evangelischen und zu knapp einem Viertel römisch-katholischen Umfeld, jedoch galt es dabei Misstrauen in einer Schule, in einem religiösen Verein und in einem säkularen Verein zu überwinden: Die staatlich anerkannte islamische Privatgrundschule in Kreuzbergs Boppstrasse, das Omar-Zentrum in der Skalitzer Strasse und die Schöneberger Ibn-Khaldun-Schule.

Vieles gibt in dieser wichtigen Studie zu denken, darunter auch ein Fazit der Autorin: Der plurale Islam im pluralen Deutschland sei für viele Muslime wie Nichtmuslime ein Problem; manche muslimischen Gruppen wünschten sich ein Monopol für muslimische Kinder, indes der Berliner Senat immer noch Repräsentanten der Muslime suche. Zudem fragt sich am Ende, wer denn die Religionslehrer wie ausbildet und welche Erfahrungen staatliche Stellen in London, Paris und Amsterdam mit ihren Grundschulen in muslimischer Trägerschaft gesammelt haben. Fragen, die Mohrs Studie nicht beantwortet.

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