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Politik: „Mutti war nämlich nicht arbeiten“

Im CDU-Chat wettert die Basis gegen von der Leyens Krippen-Pläne – positive Kommentare sind selten

Berlin - Viele Freunde kann die Familienministerin an der Parteibasis nicht haben – oder sind die Feinde einfach nur lauter? Im Forum „Wirtschaft und Soziales“ auf der Parteiwebsite jedenfalls sind die Ministerinnenhasser eindeutig in der Mehrheit. „Schämen Sie sich, Frau von der Leyen“ ruft man ihr zu, „Familienvernichtungspolitik“ oder „Kinder brauchen Liebe, keine bloße Betreuung!“ Von der Leyen, Mutter von sieben Kindern, wird als „Bundesgebärmutter“ geschmäht, die „die Umsetzung einer Ideologie“ wolle. Autor „brassmonkey“ (englisch für saukalt), der sich als Vater von sechs kleinen Kindern vorstellt, rühmt sein Modell der Erziehung zu Hause und schimpft auf die Ministerin: „Und nun sollen wir unsere Kinder nach den Vorstellungen der Frau v. d. Leyen diesem unqualifizierten Hirnschiss Mehrgenerationenhäuser, Kitas auf niedrigstem Niveau usw. übergeben.“ Autor oder Autorin „Mietze“ wettert gegen „karrieregeile Menschen da draußen, die mehr Zeit in die Karriere stecken als in die eigenen Kinder“ und schwärmt von der eigenen „Mutti“. Die „war nämlich nicht arbeiten, die hat sich um mich und meinen Bruder gekümmert“. Und „Mietze“ schließt mit einem Postscriptum: „Selbstverwirklichung, wer immer auch dieses Wort erfunden hat, gehört gevierteilt.“

Selbst „Oberschwabe“, der „gegen ein vernünftiges Angebot von Krippenplätzen absolut nichts“ hat, hat aber doch die Frau in Berlin in schwerem Verdacht: „Was mich aber ärgert ist, dass ich das Gefühl nicht los werde, dass die Familienministerin Mütter diskriminiert, die ihre Kinder selbst erziehen wollen“ und „eine staatliche Erziehung für wünschenswerter hält als eine familiäre“.

In den kaum ungefilterten Beiträgen auf der CDU-Seite ist stärker als in den medientauglichen Stellungnahmen der Parteifreunde zu spüren, welches Problem die Ministerin hat: Die Zahlen sprechen zwar dagegen, dass von der Leyen Deutschlands Familien stärker revolutionieren werden als die selbst es seit vielen Jahren tun. „Wahlfreiheit ist nur echte Wahlfreiheit, wenn Eltern auch verschiedene Angebote haben. Heute haben 90 Prozent aller Eltern in den alten Bundesländern kein Angebot für ihre Kinder unter drei Jahren“, sagte Leyens Sprecherin Iris Bethge kürzlich. Doch Teile der konservativen Klientel sehen das Ansehen ihrer Lebensform anscheinend schon dadurch beschädigt, dass auch andere Modelle als die Hausfrauenehe gefördert werden – und dann möglicherweise öfter gelingen könnten.

Dass es auch viele nicht heile Familien gibt, ist in der Netzdiskussion ohnehin kein Thema. Darauf weist im Gespräch mit dem Tagesspiegel Klaus-Dieter Kottnik hin, der neue Präsident der Diakonie. Kottnik, der als Pfarrer viele Jahre in reichen wie in armen Gemeinden gearbeitet hat, nennt das Beispiel von armen oder mit der Erziehung überforderten Eltern. Da sei es „wichtig, wenn Eltern schon ab dem ersten Lebensjahr Entlastung und Hilfe bekommen können, indem sie ihr Kind zeitweise in professionelle Hände geben“. Auf der Suche nach einer guten Betreuung seien Eltern „oft in einer richtig schwierigen Lage“. Er finde es aber gut, sagte Kottnik, „dass diese Debatte öffentlich geführt wird“.

Übrigens: Auch im Netz verfängt sich nicht nur Wut über die Ministerin. „Ich finde Frau von der Leyen super!“ schreibt Autor „Pragmatiker“. „Die beste Familienministerin, die Deutschland je hatte.“ Dem schimpfenden und vielschreibenden sechsfachen Vater rät „Pragmatiker“: „Kümmern Sie sich lieber um Ihre Kinder anstatt den ganzen Tag im Internet zu vertrödeln. Dann kann Ihre Frau auch bald wieder arbeiten.“

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