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Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg gerät unter Druck.

© Reuters

Nach Abschlussbericht zu Breivik-Anschlägen: Rücktrittsforderungen gegen Norwegens Premier

Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg soll Verantwortung für die Fehler der Behörden im Zusammenhang mit den Breivik-Anschlägen übernehmen. Die größte Boulevardzeitung des Landes fordert seinen Rücktritt.

Einen Tag nach der Vorstellung des offiziellen Abschlussberichts zu den Anschlägen von Oslo und Utöya mit insgesamt 77 Toten ist der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg enorm unter Druck geraten. Nachdem der 500 Seiten starke Bericht einer von der Regierung selbst eingesetzten Untersuchungskommission den Behörden katastrophales Fehlverhalten vorgeworfen hatte, forderte die Zeitung „VG“, die größte Boulevardzeitung des Landes, am Dienstag den Rücktritt von Ministerpräsident Jens Stoltenberg – ein für Skandinavien eher ungewöhnlicher Vorgang. Stoltenberg war zunächst von allen Seiten für seine Trauerarbeit gelobt worden.

Stoltenberg trage letztendlich die Verantwortung für das Versagen von Polizei und anderen Behörden bei den Anschlägen des Rechtsextremisten Anders Breivik am 22. Juli 2011, heißt es in der Zeitung. „VG“ schreibt: „Ein vernichtenderes Urteil hätte unsere Regierung nicht bekommen können. Sie haben betrogen. Sie haben uns betrogen.“ In „Dagbladet“, einer anderen großen Zeitung, forderte auch der frühere konservative Ministerpräsident Kåre Willoch, dass der der sozialdemokratischen Arbeiterpartei angehörende Stoltenberg sich seiner Verantwortung stellen müsse. Gleichzeitig riefen die Vorsitzenden von Oppositionsparteien ihre Abgeordneten aus der Sommerpause zurück, um den am Montag vorgelegten Bericht zu diskutieren.

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Stoltenberg hatte zwar nach der Vorstellung des Berichts gesagt, für die Reaktionen der Behörden auf die Anschläge trage letztendlich er selbst die Verantwortung. Fragen, ob er deswegen einen Rücktritt in Erwägung gezogen habe, wich Stoltenberg aber aus.

In dem Untersuchungsbericht werden sowohl der Polizei als auch dem Geheimdienst schwere Fehler vorgeworfen. Bestehende Sicherheitsvorkehrungen hätten bei den Angriffen nicht gegriffen. Auch wenn es sich um die „schockierendsten und am schwersten zu begreifenden Taten“ in der Geschichte des Landes handle, seien sie vermeidbar gewesen. Szenarien mit einer Autobombe vor einem wichtigen Gebäude in der Hauptstadt sowie mit einer Serie koordinierter Anschläge hätten bereits im Vorfeld über viele Jahre zu den gängigen Sicherheitsanalysen gehört. Das Bombenattentat im Regierungsviertel hätte demnach verhindert werden können. Berichte von Augenzeugen, die Breivik nach den Anschlägen im Osloer Regierungsviertel gesehen hatten, seien nicht an die richtige Stelle weitergeleitet worden. Hätte die Polizei schneller reagiert, hätte sie zudem den Amoklauf auf der Ferieninsel Utöya früher stoppen können. Die Verzögerung von 35 Minuten bei dem Einsatz sei „nicht akzeptabel“, heißt es in dem Bericht. Der norwegische Geheimdienst hätte zudem mehr tun können, um den Extremisten Breivik noch vor seinen Taten aufzuspüren.

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