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Am Place de la Bourse in Brüssel wird der Opfer der Anschläge gedacht.

© dpa / LAURENT DUBRULE

Nach Anschlägen in Brüssel: Europa braucht ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum

Selbst unter dem Eindruck der Attentate von Brüssel haben die EU-Innenminister nur die üblichen Floskeln zustande gebracht. Dabei gibt es ein Beispiel für zukunftsfähige Sicherheitsarchitektur. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Die Anschläge vom vergangenen Dienstag in Brüssel haben Europa geschockt. Auch deshalb, weil der Terrorangriff Schwächen in der Sicherheitsarchitektur in Belgien wie in der EU offenbar hat, die erschrecken. Der Logistiker der Anschläge vom November in Paris, Salah Abdeslam, konnte sich vier Monate im Brüsseler Stadtteil Molenbeek versteckt halten, bis ihn die Polizei endlich am 18. März fasste. Das waren vier Monate, um weitere Attacken zu planen, wahrscheinlich auch die am Brüsseler Flughafen Zaventem und in der U-Bahn. Unfassbar.

Das Versagen der belgischen Behörden ist allerdings eben auch ein europäisches. Polizei und Nachrichtendienste in Europa tauschen sich zu wenig aus, davon profitieren terroristische Organisationen wie der IS und Al Qaida. Sie sind offenbar der EU mindestens einen Schritt voraus. Soll das so bleiben?

Nach Ansicht der meisten EU-Staaten offenbar schon. Die Innenminister haben bei ihrem Treffen am vergangenen Donnerstag in Brüssel trotz des noch ganz nahen Horrors der Anschläge in der Stadt kaum mehr zustande gebracht als die üblichen Floskeln. Die Zusammenarbeit solle intensiviert werden hieß es, nationale Schranken müssten überwunden werden. Das war so auch schon früher zu hören gewesen. Den dringend benötigten großen Wurf dagegen gab es nicht. Leidet die EU lieber unter Terrorangriffen, als nationale Egoismen zu überwinden? Wie schon beim Großthema Flüchtlinge scheint Europa auch in der Abwehr des militanten Islamismus unfähig zu sein, sich mit einem gemeinsamen Kraftakt besser aufzustellen.

Dabei ist nicht nur die Notwendigkeit für jeden rational denkenden EU-Bürger offensichtlich. Es gibt auch ein Beispiel, wie Defizite in der Sicherheitsarchitektur überwunden werden können. Die Innenminister der Bundesrepublik haben 2004 das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) gegründet, als Reaktion auf die schweren Anschläge im selben Jahr in Madrid und den Angriff auf die USA am 11. November 2001. Im GTAZ sitzen Polizeien, Nachrichtendienste, die Bundesanwaltschaft und weitere Behörden, insgesamt sind es 40, zusammen und tauschen Informationen aus. Föderale Vorbehalte und Sorgen vor einer Aufweichung des Trennungsgebots, das die Kompetenzen von Polizei und Nachrichtendiensten abgrenzt, sind längst gewichen.

Für ein gemeinsamens Terrorabwehrzentrum auf EU-Ebene

Einhellig ist bei Ministern und den Chefs der Sicherheitsbehörden zu hören, das GTAZ habe in beachtlichem Maße dazu beigetragen, Deutschland weitgehend vor tödlichen islamistischen Anschlägen zu bewahren. Bislang gelang nur einem Attentäter ein Angriff, der Menschenleben kostete. Im März 2011 erschoss der Kosovare Arid Uka am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten und verletzte zwei weitere schwer. Die Tat des Einzelgängers, der zuvor nie aufgefallen war, konnte allerdings niemand auch nur ahnen.

Ein GTAZ auf EU-Ebene wäre ein gewaltiger Fortschritt. Polizeibehörden und Nachrichtendienste würden über Staats- und Ressortgrenzen hinweg die Terrorszene deutlich besser in den Blick nehmen können als bisher. Damit wüchse auch die Chance, nationale Defizite wie in Belgien durch internationale Kooperation ausgleichen zu können. Fragt sich nur, ob die EU-Staaten bereit sind, politisch und rechtlich den Kraftakt zu wagen, die Terrorabwehr auf ein neues Niveau zu hieven. Oder müssen noch weitere Anschläge wie in Paris und Brüssel geschehen, bis auch die letzte Regierung eingesehen hat, dass Europa sich bislang einen sicherheitspolitischen Masochismus leistet? Dem IS käme es gelegen. Zumal der Terrormiliz zuzutrauen ist, dass sie das „Niveau“ ihrer Angriffe noch steigert. Hin zu gleichzeitigen Attacken in mehreren europäischen Staaten. Und womöglich mit Giftgas oder einer nuklear angereicherten, schmutzigen Bombe.

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