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Die Proteste gegen die jemenitische Regierung hören nicht auf. In den Straßen von Sanaa wimmelt es von Bewaffneten. Die Zustände werden zunehmend unübersichtlich. Der Präsident hält aber weiterhin mit aller Macht an seinem Amt fest.

© dpa

Nach Attentat: Präsident Ali Abdullah Saleh kehrt nach Sanaa zurück

Mit der überraschenden Rückkehr von Präsident Ali Abdullah Saleh nach Sanaa hat der Machtkampf im Jemen eine neue, dramatische Wende genommen.

Freitagfrüh landete der Herrscher, der seit dem Attentat am 3. Juni in der saudischen Hauptstadt Riyadh behandelt worden war, in einer Nacht- und Nebenaktion wieder in seiner Heimat. Seitdem hält er sich von der Öffentlichkeit abgeschirmt in seinem Präsidentenpalast auf. Eine Abdankung stehe nicht zur Debatte, ließ er bereits wenige Stunden später einen Sprecher verkünden und forderte „alle politischen und militärischen Parteien“ auf, die Straßenkämpfe zu beenden. Um die Krise im Land zu bewältigen, gebe es keine Alternative zu Dialog und Verhandlungen. Gleichzeitig meldete die staatliche Nachrichtenagentur Saba, Saleh werde am kommenden Montag eine „wichtige Rede“ an sein Volk halten.

Mit diesem neuerlichen Winkelzug sind alle politischen Bemühungen von Saudi-Arabien, den USA und den Vereinten Nationen gescheitert, den seit 33 Jahren herrschenden Saleh zu einer geordneten Machtübergabe zu bewegen. Letzte Woche noch hatten seine saudischen Gastgeber in Riyadh verkündet, der 69-Jährige werde nicht mehr in den Jemen zurückkehren und „innerhalb einer Woche“ das seit Monaten mit dem Golf-Kooperationsrat fertig ausgehandelte Abkommen zum Machttransfer unterschreiben. Zuvor hatte Saleh bereits dreimal in letzter Minute seine Zustimmung verweigert.

Zehntausende Anhänger feierten derweil den zurückgekehrten Herrscher nach dem Freitagsgebet auf dem Paradeplatz neben der gigantischen Al-Saleh-Moschee. „Wir lieben dich, Ali“, skandierte die Menge. Die Opposition mobilisierte ihre Anhänger zu einer Großdemonstration rund um die Universität, wo tausende Regimegegner seit sieben Monaten in Zelten campieren. Tags zuvor hatte der Generalsekretär des Golf-Kooperationsrates, Abdullatif al-Zayani, seine Vermittlungsmission in Sanaa abgebrochen und war mit leeren Händen abgereist. Beide Seiten seien nicht bereit, miteinander zu verhandeln, teilte er mit. So hatte Präsident Saleh unter anderem als Bedingung für einen Rücktritt gemacht, dass sein Sohn Ahmed Mitglied einer künftigen Regierung werde – für Oppositionsparteien und Demokratiebewegung völlig unannehmbar.

Seit sechs Tagen nun toben in der Hauptstadt heftige Straßenkämpfe, ziehen immer mehr Bezirke in Mitleidenschaft und drohen sich zu einem Bürgerkrieg im ganzen Land auszuweiten. Mehr als hundert Menschen sind bisher umgekommen, über 1200 wurden verletzt. Stundenlange Duelle mit Mörsergranaten und Luftabwehrgeschützen hielten die Bewohner auch am Freitag in Atem. Zahlreiche Wohnhäuser, auch Villen einzelner Politiker, das Menschenrechtszentrum in Sanaa sowie das Büro des TV-Senders Al Jazeera wurden durch Granaten beschädigt. Scharfschützen des Regimes zielten von Dächern herab auf Passanten, darunter auch auf Frauen und Kinder.

Auf der Seite des Regimes kämpfen die Republikanischen Brigaden unter dem Kommando von Salehs Sohn Ahmed sowie die Spezialeinheiten der „Zentralen Sicherheit“, geführt von Yahya Saleh, einem Neffen des Präsidenten. Ihnen gegenüber steht die abtrünnige Erste Division von General Ali Mohsen al-Ahmar sowie Bewaffnete des mächtigen Ahmar-Stammesverbandes, deren Angehörige jedoch nicht mit dem General verwandt sind. General al-Ahmar ist eine der mächtigsten und schillernsten politischen Figuren des Landes, der keine demokratischen Ambitionen hat. In den 80er Jahren warb er Jihadisten für Afghanistan an und unterhält seitdem enge Beziehungen zu radikalen Klerikern. Auch die Führer des Ahmar-Stammesverbandes stehen politisch der islamistischen Opposition nahe. Gleichzeitig sind sie millionenschwere Geschäftsleute, die große Summen aus dem Ölgeschäft abschöpfen, einen der Mobilfunk-Konzerne besitzen sowie eine Bank. Der Zerfall der staatlichen Ordnung führt im Jemen auch zu kritischen Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam gibt es inzwischen „weit verbreiteten Hunger und chronische Unterernährung“. Die Wirtschaft stehe vor dem Kollaps.

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